Unser Aufenthalt in Bad Gleichenberg bringt mich zurück in längst vergangene Zeiten. Zum einen ist da ein Ferienaufenthalt in der Karwoche und über die Osterfeiertage, zum anderen befinde ich mich in der Steiermark. Das war in meinen jungen Jahren regelmäßig der Fall und zuletzt vor mehr als zwanzig Jahren als ich noch einmal mit meinen Eltern und mit meinen Töchtern, die damals noch Kleinkinder waren die Zeit um Ostern in der Mariazeller Gegend verbrachte.
Jetzt bin ich im Südosten der Grünen Mark und erlebe diese Tage mit meiner Frau, deren Söhnen und unserem gemeinsamen Kleinsten. Und da will der doch gestern abend tatsächlich, als er von unserem Balkon aus das brennende Osterfeuer vor der örtlichen römisch-katholischen Pfarrkirche sieht, stante pede dort hinunter gehen und an diesem Fest vor und in der Kirche teilnehmen. Auch das noch, denke ich mir, da ich mal mit dieser Institution engstens befreundet war, ihr aber vor knapp sechs Jahren den Rücken gekehrt habe. Immer schon hat mich unser Sohn über Kirchen gefragt, ich habe ihm nach bestem Wissen geantwortet, immer schon wollte er mal an einem Fest da drinnen teilnehmen, was ich ihm auch zusagte, was aber bis dato noch nicht stattgefunden hatte. Nun lag die Möglichkeit quasi vor der Haustüre und er nützte sie. So warfen wir uns also in Osterschale und eilten zum Platz vor der Kirche, auf dem ein Dutzend Menschen um die Feuerschale standen. Wir kamen zwar zu spät aber immer noch rechtzeitig, da - wie der Mesner den Wartenden mitteilte - die Besprechung "a bissl länger gedauert hat". In diesen Momenten kamen die Erinnerungen an die vielen Osternachtsfeiern hoch, die ich in der zweiten Heimat meiner Kindheit und Jugend alljährlich absolviert hatte. Das wesentlich größere Osterfeuer vor der dortigen Kirche, die Weihe des Feuers die mit jeder Menge Weihrauch vollzogen wurde, die Segnung der Osterkerze und die Weihe des neuen Weihwassers, mit dem alle Anwesenden unmittelbar danach noch vor der Kirche geduscht wurden, egal welches Wetter herrschte. Meistens schneite und stürmte es sogar, also war man eh schon nass. Und noch nässer ging es kaum noch. Dann zog man in die Dämmerung der unbeleuchteten Kirche, rechts nahmen die Männer Platz, links die Frauen. Wir fanden - als Urlaubsgäste - eine Stehplatz im hinteren Teil der Kirche. Und dann begannen die mehr als einstündigen Aktivitäten am Ambo und am Altar, die mir jede Menge Geduld abforderten. Ich konnte sie nur deswegen aufbringen, weil ich mich schon so auf das Heimbringen des Osterlichtes in der Laterne freute. Der Weg von der Kirche zum Gasthof war rund eineinhalb Kilometer lang und bei den zur Osterzeit meist herrschenden winterlichen Bedingungen ein echtes Abenteuer. In unserer Herberge gab es dann meist Bratwürstel mit Sauerkraut, was mir meist den Abend und manchmal den Magen verdarb. Und dann kam die wahre Osternacht. Die örtliche Musikkapelle spielte ab Mitternacht - von Haus zu Haus ziehend - den sogenannten Morgenappell. In unserer Bleibe kamen sie meist so zwischen 2 und 3 Uhr morgens an. Nicht immer hatte ich allerdings Lust Nacht zum Tag zu machen, immer aber wachte ich zumindest auf, um den Klängen der nächtlichen Marschmusik zu lauschen. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich im Laufschritt ein Schar rot-weiß gekleideter MinistrantInnen auf, den Herrn Pfarrer im Schlepptau, den ich an seinem Akzent als Polen identifizierte. Das "e-i" statt des "e" passt aber auch gut in diese Gegend, weil der hiesige Dialekt diesem einen ähnlichen Laut gibt. Dann ging trotz der vorangegangenen länger dauernden Besprechung alles drunter und drüber - und der Laufschritt setzte sich in den liturgischen Handlungen und schnell gelesenen Texten fort. Ich war mit einem Mal bei den Vorlesungen aus Liturgie bei Professor Auf der Maur, seinen eindrücklichen Schilderungen wie die Osternacht ausdrucksstark gefeiert werden sollte, seinen Erzählungen aus seiner Zeit in den Niederlanden, als riesige Osterfeuer die Straßen Amsterdams erleuchteten. Da sprach der Missionar aus ihm, der er einst gewesen war, wie mir in diesem Augenblick schmerzlich bewusst wurde. Ich konnte zwar meinen kritischen Blickwinkel im Laufe der halben Stunde, die wir der Zelebration beiwohnten, nicht gänzlich ablegen, bemerkte noch den stockenden Einzug in die dunkle Kirche, die fehlende Weihwasserweihe, die vollständige Erleuchtung der Kirche noch vor dem Exsultet anstatt erst beim Gloria - aber sei's drum. Nicht mehr mein Bier. Beunruhigend aber, dass die Menschen in der Kirche da waren, ohne an irgendetwas Anteil zu nehmen, nur aus Gewohnheit, Konvention oder der vagen Hoffnung, sich damit einen Platz im Himmel zu verdienen. Unser Sohn wollte immer noch bleiben und so hörten wir nach dem Osterlob noch die erste Lesung, jene von der versuchten Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham. Ich bekam eine Riesenwut dabei, dass da ein Psychotiker seinen Sohn für Gott geben wollte, weil er sich dadurch was weiß ich was erhoffte - und das man dies in den Augen der Kirche als Beispiel sehen soll, selbst das Liebste zu geben, um Gott zu gefallen. Da beruhigt mich der Schluss der Geschichte auch nicht und ich mag mir nicht vorstellen, was Isaak in Wirklichkeit gefühlt haben mag, als er da gefesselt am Opferstein lag und sein Vater das Messer schwang. Mein Sohn jedenfalls nahm es gelassen, für ihn war es ein Märchen mit einem guten Ende. Danach jedenfalls wollte er gehen und wir verließen die Feierlichkeiten durch die laut knarrende Kirchentür. Am Ende dieses Tages las meine Frau unserem Kimi noch das nächste Kapitel der "Fünf Freunde" vor und er schlief ob der vielen Erlebnisse umgehend ein. Auch ich schlief in der darauffolgenden Nacht sehr gut. Ich war mir an diesem Abend dank der Initiative meines Sohnes sehr bewusst geworden, dass ich dem Wahnsinn einer Gemeinschaft, die ich einmal als meine Heimat empfunden hatte, so heil entronnen war. Und ich war mir auch bewusst geworden, dass es im Einvernehmen mit meiner Frau eine gute Entscheidung war, Kimi eine andere Lebensgrundlage zu geben als den Glauben der römisch-katholischen Christen. So nahmen die Wirren dieser Osternacht ein versöhnliches Ende und wir konnten wohlbehalten in einen frühlingshaften, sonnigen und himmelblauen Sonntag starten, an dem wir gemeinsam das erste Eis des Jahres genossen.
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Hinweis:
Meine Meinung zu aktuellen Themen habe ich bis 1.9.2015 im Blog "Mein Senf zu allem" veröffentlicht. Seither habe ich sie auf dieser Seite in meine Tagebucheinträge integriert.
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Juli 2019
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