s ist der Morgen des Ostermontag, ich habe mich früher als alle anderen aus dem Bett geschlichen, sitze an meinem Computer und möchte die beiden vergangenen Tage für meinen Blog Revue passieren lassen. In mir ein Wunsch, ermüdet vom Ausnahmezustand, verängstigt von dem, was mein Leben prägt, auf so vielen Ebenen. Der Wunsch, noch einmal in einen Urzustand zurückkehren zu können, in jene Phasen meiner Kindheit, in denen das Leben jeden Tag mit der Zuversicht füllte, dass einmal alles besser sein würde., in denen ich an eine Zukunft glaubte, an der ich in jedem Moment, mit jedem Atemzug bauen konnte, um sie zu verwirklichen. Doch in meine Kindheit möchte ich nicht wirklich zurückkehren, hatte sie doch viele Tage, die mir auch schwer zusetzten und mich in Hoffnungslosigkeit gefangen hielten. Aber es gab eben jene Momenten, in denen alles so klar war und das ganze Leben noch vor mir lag. Heute rechne ich wieder einmal, rechne ab, verfluche meine Fehler, die bis heute nachwirken und mein Leben mit Herausforderungen beschweren, die es schwerer machen, die gegenwärtigen Herausforderungen zu bewältigen. Ein sinnloses Unterfangen. Der Sinn liegt genau darin, dass es so ist. Und die Zufriedenheit und das Glück finde ich nur, wenn ich mich genau jenem Leben stelle, das gerade jetzt gelebt werden will. Kater Dario jedenfalls hat mich gleich nach dem Aufstehen herzlich begrüßt, er nimmt auf meinem Schoß Platz und schnurrt mir beruhigend zu. Ein Segen.
Am Beginn meines neuen Lebenstages, dem Karfreitagabend, stand das Schreiben am Plan, es war mir auch wichtig, von einer dunklen Phase meines Lebens zu berichten, die mich immer wieder einholt. Positiv gesprochen war sie und ist sie noch sehr lehrreich. Aber wer will schon gerne belehrt werden. Ich saß fast zwei Stunden an der Reflexion von zwei Lebenstagen und nicht immer fand ich die passenden Worte. Dennoch war ich erleichtert, als alles aufs „Computerpapier“ gebracht worden war. Ich schrieb abends erstmals draußen, Kater Dario kuschelte sich einstweilen drinnen in sein Körbchen. Als ich dann nach einem kurzen Plausch mit meiner Liebsten endlich ins Bett fiel, kam Kater Dario sofort angelaufen und legte sich mit einem Satz in mein Schlafgemach zu meinen Füßen. Dem Einschlafen war dadurch ein einfacher Weg bereitet. Der Karsamstag bot anfänglich Alltägliches, es mussten noch einige kleinere Einkäufe erledigt werden und ich musste dabei endgültig zur Kenntnis nehmen, dass ich an diesem Osterfest mangels Germ weder Pinze noch Brot selber backen konnte. Meine Liebste ergatterte aber ein tolles Exemplar und noch dazu ein Sandkuchen-Osterlamm. Mein Jüngster war an diesem Tag sehr motiviert, er wiederholte an diesem Vormittag mit mir gemeinsam die Malreihen von zwei bis fünf und war auch schon ziemlich sattelfest. Seine Belohnung, die neuen Tischtennisschläger und -bälle, die schon vor einigen Tagen per Post eingetroffen waren, für unsere zukünftigen Fights am Gartenesstisch trugen nicht unwesentlich dazu bei. Für den Nachmittag hatten wir den Plan gefasst, endlich den uns schon vor Wochen angebotenen Kirschbaum aus dem Garten einer Freundin abzuholen. Bewaffnet mit Spaten und Radanhänger sowie in Arbeitsmontur machten sich meine Frau, unser Jüngster und ich also auf den Weg. Es waren feine zwei Stunden mal woanders als auf unserem Hof, der Baum, rund zwei Meter hoch gewachsen, war schon ziemlich fest verwurzelt und es brauchte daher seine Zeit in auszugraben. Der Boden vor Ort schöne Lösserde, locker und daher leicht wegzuschaufeln. Bei uns im Garten haben wir ganz schweren Lehmboden, was das Graben unerhört schwer macht, wie ich zuletzt beim Einsetzen unserer Tanne und davor schon beim Pflanzen des Apfelbaumes und dem Anlegen unseres Minibiotops feststellen hatte müssen. Die Hausherrin ließ uns im der aktuellen Situation gebührenden Abstand ein und ließ uns dann auch ungestört unsere Arbeit verrichten. Vor dem Heimfahren ergab sich dann noch ein anregendes Gespräch über Aktuelles, Bildung und die Chancen der Krise, deren Gefahren noch immer das Hauptthema der Berichterstattung waren. Wor bleibt die Perspektive, wo sind die ambitionierten Verantwortlichen, die nicht nur managen sondern uns auch eine Zukunft vor Augen führen können, die (wieder) lebenswert ist. Ich vermisse sie schmerzlich – und erinnerte mich an mein Telefonat mit Thomas Mohrs vom Donnerstag, in dem er mir auch mitteilte, dass er den jetzigen Gesundheits- und Sozialminister aus der Zeit, als der noch Landesrat in Oberösterreich gewesen war, kenne und sich Sorgen mache, wie lange er es noch durchhalten würde, den „Regierungssprech“, die soe genannte message control, beizubehalten, sei er doch ein grundehrlicher und authentischer Mann. Mit diesen Worten bestätigte er meine Wahrnehmung, dass sich der kleine grüne Regierungspartner viel zu oft, ja fast durchgehend vor den Karren des großen schwarzen (nun auf türkis schöngefärbt) Partners spannen lässt. Wieder daheim galt es dem Herzkirschenbaum sofort ein neues Heim zu geben, in dem er sich gut verwurzeln konnte. Darauf war ich zwar nicht vorbereitet gewesen, hatte aber nach dem Ausgraben schon fest damit gerechnet. Diesmal gab ich dem schweren Boden unseres Gartens immer wieder Wasser, um leichter und entsprechend tief in relativ kurzer Zeit (immerhin war schon Abendessenszeit) graben zu können. Das Vorhaben gelang mit tatkräftiger Unterstützung meiner Liebsten und unseres Sohnes, wir wünschen uns nun innig, dass unser Zuzügler seinen Platz einnehmen wird, um uns in Zukunft mit Blüten und Früchten zu erfreuen. Das gemeinsame, einfache Abendessen mundete vorzüglich und auch der selbstgemischte Radler tat seine Dienst und trug wesentlich zu einer schnellen Entspannung bei. Die Osternacht stand vor der Tür und einen Moment lang überlegte ich, einen der vielen Livestreams mit den katholischen Feierlichkeiten zu verfolgen oder in Feuerkorb ein kleines Osterfeuer für die Familie zu entzünden, aber es fehlte mir am nötigen Animo. Ich erinnerte mich an jene Osternacht in der Pufferzone nächst Famagusta in Zypern (von der ich in diesem Blog schon erzählt habe), an die vielen Auferstehungsfeiern am Nachmittag des Karsamstags in meiner zweiten Heimat in der Steiermark, die zwar sehr konventionell, aber durchaus stimmungsvoll waren, ebenso an jene Nächte, später als (junger) Erwachsener mit der Caritasgemeide in Wien, die sehr eindrucksvoll und berührend waren, und an eine Feier, die in den frühen Morgenstunden des Ostersonntag von der Nacht in den Morgen führte, in einer Pfarre in jener Stadt, in der ich die letzten sieben Jahren meines Lebens vor dem großen Umbruch vor zehn Jahren verbracht hatte. Der dortige Pfarrer war ein wenig jünger als ich (und ist heute und das schon seit Jahren Weihbischof in der Bundeshauptstadt), ich hatte damals, herausgefordert von der Lebensgemeinschaft mit jener Frau und ihrem, damals schon meinem Sohn, Unterstützung gesucht, spirituelle Kräftigung, um durchzustehen, was nicht durchzustehen war. Damals war ich auch in eine Ausbildung zum Diakon gestartet, hatte jene Frau deswegen sogar kirchlich geheiratet (aber niemals standesamtlich, was eigentlich nicht möglich ist, aber ich hatte in jener Zeit eine bedenkliche Meisterschaft erreicht, auch das Unmögliche verwirklichen zu können) und wurde dann von ihr schamlos im Stich gelassen, als es darum ging, mich auf diesem Weg zu unterstützen, worauf meine Ausbildung kirchlicherseits gecancelt wurde. Damals brach eine Welt zusammen, heute bin ich dankbar, nicht Diener dieser Kirche sein zu müssen, die ich letztlich vor zehn Jahren verlassen habe. In jener Zeit war ich auch als Begräbnisleiter aktiv, gefördert vom Vater jener Frau, der als katholischer Priester in einer kleinen Pfarrei am östlichen Stadtrand von Wien werkte, einem Ort, an dem ich auf meinen Fahrten nach und von Wien mit dem Zug regelmäßig vorbeikomme und den auch mein Vater für seine Pfadfinderevents noch lange vorher entdeckt hatte und der mir deswegen schon lange vertraut ist. Die siebenjährige (!) Zeit in jener Bezirkshauptstadt südlich von Wien war auch eine sehr lehrreiche und sie führte schließlich zum ernsten Knacks mit jener Gemeinschaft, die mich in den mehr als vier Lebensjahrzehnten nachhaltig geprägt hatte. Zuerst durch die Sozialisation meiner Eltern, vornehmlich meiner Mutter und ihrem ver-rückten Gottesbild von einem Wesen, dass alles sieht (und nicht eines, das auf uns – im positiven Sinn – schaut). Dann im Gymnasium die Konfrontation mit den Sichtweisen des Mystikers Teilhard de Chardin, die ich nicht fassen konnte, danach meine Mitwirkung in drei Pfarren in Wien, in jener meines priesterlichen Schwiegervaters sogar als Pfarrsekretär, dann meine Konfrontation mit meinem Kindheitsglauben im Rahmen der Ausbildung zum Religionslehrer, um mit tiefenpsychologischer Bibeldeutung und Symboldidaktik das von meiner Mutter geprägte Gottesbild endlich über Bord werfen zu können und den befreienden Charakter eines liebenden Gottes erfahren zu dürfen, dessen Willen ich mich aber weiterhin gerne widersetzte. Wenn ich hier vom Willen Gottes spreche, so möchte ich ihn heute eher als die Anforderungen meines Lebens oder meines Schicksals (aber bitte nicht im fatalistischen Sinn) bezeichnen. Da ist mir ein Schlüsselerlebnis ganz besonders in Erinnerung: Ich stand in der Vorhalle jener Pfarre in jener Bezirkshauptstadt, wartete (worauf eigentlich?), zwischen Pfarrsaal und Kapelle. Da hörte ich meinen Namen rufen. Eine männliche Stimme in mir, die mir vertraut, aber nicht bekannt war, rief mich, mehrmals. Ich machte mich sogar auf die Suche nach dem, dem sie gehörte, ich fand ihn nicht. Schon einige Zeit später wurde mir bewusst, dass diese Stimme nicht aus dem Inneren des Pfarrhauses gekommen war, sondern von draußen. Ich war also aus der Kirche herausgerufen worden. Mein Weg war nicht der, den ich unbedingt gewollt hatte – und das begriff ich erst, als ich meine heutige Frau kennen gelernt hatte. So sind die Osternächte, so ist Ostern für mich ganz im ursprünglich jüdischen Sinne des das Osterfest begründeten Pessachfestes, ein Fest der Befreiung geworden, ein Tag des Bewusst-Seins, dass ich auch gegen meinen ursprünglichen Willen auf meinen Weg und zu meinem wahren Willen gebracht worden bin. Und für diese, meine damit errungene Freiheit gilt es einzustehen, was nicht immer so leicht ist, wie ich mir das wünsche.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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