Dario hat die Herzen der Familie Dosenöffner (so heißen wir im Katzenjargon) im Sturm erobert und auch uns gelang es, ihn umgehend für uns einzunehmen. Als ich nachts heimkam, hatte er sich gerade irgendwohin zurück gezogen. Zuvor war er laut Auskunft meiner Frau hinter meinem Sofa und in der Holzlade unseres Küchenherdes gewesen. Als er unsere Stimmen hörte, stand er plötzlich neugierig in der Küche. Ich ließ ihn meine Hand beschnuppern, was er sehr vorsichtig und zurückhaltend machte, um nur wenige Sekunden später zum ersten Mal Köpfchen zu geben. Ich setzte mich zu ihm auf den Boden und dann begannen die Annäherungen heftiger zu werden. Er erwies sich zuerst als echter Schmusekater und wenig später waren wir schon in unser erstes Spiel an Wohnzimmerteppich vertieft. Die Tierärztin, die ihn gegen 18 Uhr zu uns nachhause gebracht hatte, schätzte ihn auf rund 2 Monate. Er ist ein zierliches, sehr schlankes Tier mit einer kleinen weißen Blesse auf der Brust, ansonsten durchgehend schwarz mit grünen Augen. Das eine erkrankte Sehorgan wirkt derzeit aufgrund der Hornhautverletzung durch einen Herpesvirus oder einen Kratzer seiner Katzenschwester etwas trüber, es macht aber nicht den Eindruck als ob dadurch seine Sehkraft eingeschränkt wäre. Meine Frau bestand darauf, dass wir ihm die verordneten Augentropfen möglichst bald verabreichten. Dazu nahm ich den leichten Jungen mit meinen Händen und setzte mich mit ihm aufs Sofa, wo er seine Kuschelattacken fortsetzte. Ich hielt seinen Kopf fest und zog seine Augenlider auseinander, so dass meine Liebste ihm je einen Tropfen der Flüssigkeit einträufeln konnte. Er ließ die Prozedur willig über sich ergehen und legte sich, nach einer weiteren Schmusezeit auf meinen Schoß, um eine Runde zu schlafen. Ich blieb mit ihm noch rund eineinhalb Stunden wach, gegen ein Uhr brachte ich Dario zu meiner Frau ins Bett und folgte nach ihm nach meiner abendlichen Dusche. Er lag zu ihren Füßen, als ich ins Bett kam.
Am darauffolgenden Morgen war ich schon gegen halb sechs wach. Ich stand kurze Zeit später auf, machte Kaffee für meine Frau und mich und aß mein Morgenmüsli. Natürlich machte ich mich auch gleich auf die Suche nach unserem Neuankömmling, fand ihn aber in der Morgendämmerung und ohne Licht zu machen nicht. Ich schaute in die Ofenlade und hinter bzw. unter mein Sofa: nichts. Dann wartete ich auf eben jenem Sofa mit einer Tasse Kaffee. Er kam nicht zum Vorschein. Als unsere Großen sich gegen halb sieben für ihren Aufbruch in die Schule vorbereiteten, machte ich noch einen Rundgang und fand den jungen Mann auf dem Esstischstuhl meiner Frau, dort wo auch einer der Lieblingsplätze unserer Mizzi-Katze war. So schwarz wie er ist, hob er sich kaum vom schwarzen Polster auf der Sitzfläche ab. Ich nahm zu mir aufs Sofa mit und die Kuschelei nahm ihre Fortsetzung, während das Haus gelüftet wurde. Danach bekam Dario sein Frühstück, das er im Lauf des Vormittags in drei Rationen verzehrte. Obwohl ich eigentlich hundemüde war, machte ich mich sofort an meine Arbeit. Zuerst schrieb ich an meinem Blog, dann erledigte ich einige E-Mails, um schließlich gemeinsam mit meiner Liebsten an meiner Steuererklärung zu arbeiten. Während des Vormittags tourte der Kater durch das Wohnzimmer und die Küche und entdeckte so manches, was sich zum Klettern eignete. Als ich ein schnelles Mittagessen zubereitete, bevor ich mich auf den Weg in die Hauptstadt machte, um meinen ältesten Freund zu treffen, sah er mit Interesse vom Esstischstuhl zu, auf dem er auch morgens gelegen war. Die Bahnfahrt nutzte ich zu einem Nickerchen, aus dem ich wenig erholt knapp vor dem Umsteigebahnhof in der Landeshauptstadt erwachte. Es war extrem mild für die Jahreszeit bei rund 20 Grad Celsius, was der Beseitigung meiner Müdigkeit nicht förderlich war. Im zweiten Zug machte ich mich an die Vorbereitung für die abendlichen Einheiten in meiner Vorbereitungsgruppe auf die Berufsreifeprüfung Deutsch. Neben der richtigen s-Schreibung und einer Wiederholung zum Thema Zusammenfassung nahm ich mir Argumentationstraining vor – und zwar, wie sollte es auch anders sein in Zeiten wie diesen – zum derzeit grassierenden Corona-Virus. Unter dem Titel „Corona - tödliche Gefahr oder Panikmache“ sollten die Teilnehmenden mit Hilfe eines Videos des Internisten Dr. Franz Wiesinger und einem Gastkommentar von Dr. Günther Loewit in einer großen Tageszeitung ihre Position darstellen und durch Argumente untermauern. Dabei kam ich selbst zum ersten Mal seit ihrem Ausbruch mit der Corona-Epedemie, die mittlerweile lt. WHO zur Pandemie geworden war, sowie den nun einsetzenden strengen Maßnahmen unserer Bundesregierung intensiver in Kontakt. Hygienemaßnahmen sind mir grundsätzlich nicht fremd, da ich berufsbedingt oft mit den Öffis unterwegs bin und viel mit Menschen zu tun habe.Dennoch wirkte ihre Drastik auf mich erstmals beängstigend. Auch über die whatsapp-Gruppe des Fußballvereins kamen den ganzen Tag über die neuesten Informationen zur weiteren Vorgangsweise im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbereich. Letztendlich wurde die Entscheidung getroffen, den Trainings- und Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung und bis auf Weiteres einzustellen. Das soziale Leben sei auf ein Minimum zu reduzieren. Im Treffen mit meinem Freund wurde der Virus zwar auch kurz zum Thema, ansonsten widmeten wir uns den Themen, die uns immer wieder bewegen: dem Fußball, der Persönlichkeitsentwicklung, der Spiritualität und der Philosophie sowie Politischem. Es war wie immer eine wundervolle Begegnung, bei der ich diesmal auch zum Essen eingeladen wurde. Ich genoss den Faschierten Braten mit Braterdäpfeln und gegrilltem Gemüse und einem Seitel Zwickel. Mit den besten Wünschen für den jeweils anderen gingen wir nach knapp zwei Stunden auseinander – in Ungewissheit, wann wir uns wieder sehen würden. Aber ist diese Unsicherheit nicht immer gegeben und wird uns nur durch die aktuelle Situation stärker bewusst? Auf der Fahrt in die VHS gönnte ich mir noch eine meiner Lieblingsmehlspeisen, nämlich einen Punschkrapfen. Ich kenne diese Leckerei mittlerweile in verschiedensten Varianten, schmeckt sie doch bei jedem Bäcker anders. Die heute gekaufte Sorte zählt absolut zu den Top 3. Als ich in der VHS ankam, erfuhr ich von den Teilnehmer*innen, dass der Unterricht ab nächster Woche auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden sollte, was sich durch ein E-Mail der Programmkoordinatorin auch bestätigte. Die Teilnehmenden und ich beschlossen, uns beim nächsten Mal virtuell zu treffen, um unsere Arbeit fortsetzen zu können. Über all meinen beruflichen Verpflichtungen im Trainingsbereich schwebt nun das Damoklesschwert der Absage und damit ein existenzieller Verdienstentgang. Bei meiner Liebsten dürfte es ähnlich sein, erwerbsarbeitet sie doch im gleichen Segment. Bei allen notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus sollten die Verantwortlichen aber auch dringend darauf achten, dass Menschen nicht durch solche Schritte in ihrer Existenz bedroht werden. Ein guter Zeitpunkt für die Einführung eines Grundeinkommens, finde ich, auf Basis einer Finanztransaktionssteuer. Diese könnte, laut Berechnung von Expert*innen, eine solche bedingungslose Grundsicherung finanzieren. Wobei ich in diesem Zusammenhang lieber von einem Auskommen spreche, beinhaltet Einkommen doch auch die Möglichkeit über Grundverhältnisse hinaus leben zu können. Das Auskommen aber ermöglicht es jedem individuell und an seine Lebenssituation angepasst und ohne Erwerbsdruck existieren zu können. Schöne neue Welt auf Basis eines „Nie ist zu wenig, was genügt“ (Heini Staudinger, GEA). Vielleicht ermöglichen die nun eingetretenen Ereignisse endlich jene Wendezeit, von der seit Jahrzehnten folgenlos geredet wird zum Segen für unseren Planeten und unsere Spezies, auf die die Erde auch liebend gerne verzichten könnte.
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Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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