Die Tage werden spürbar länger, die Temperatur gleicht jener an finnischen Sommertagen. Wie wohl ich gestehen muss, dass während unserer letzten Finnlandaufenthalte im Sommer „indian summer“ herrschte. Auch wir hatten mitten im Wald, mitten am Land in der Nähe eines großen Sees etliche Nächte, in denen wir über 20 Grad Celsius maßen. Sauna war dennoch Pflicht, leistet sie doch einen wesentlichen Beitrag zur körperlichen und seelischen Gesundheit.
Mein Jüngster hatte Lust auf Fußballschauen, wir entschieden uns für einen deutschen Schlager und zwar für das Cupfinale aus 2012 zwischen dem BVB und den Bayern. Lewandowski stürmte damals noch für die Dortmunder, Alaba spielte schon für die Bayern, ein gewisser Jürgen Klopp coachte die Männer aus dem Ruhrpott und – ein weiterer wesentlicher Unterschied zu heute – die Schwarz-Gelben zerlegten die Mannschaft aus München mit 5:2 und holten damit in diesem Jahr sogar das Double. Im Anschluss begab ich mich ob des warmen Abends nach draußen und rauchte eine Selbstgedrehte. Bei unserer Fahrt zur Apotheke am Nachmittag waren meine Liebste und ich auch an der Trafik vorbeigekommen und ich hatte Lust, mir eine Packung Tabak zu kaufen. Es war die erste Zigarette seit über einem Jahr und sie schmeckte vorzüglich. Ich bin Genussraucher und aus diesem Grund bin ich mir sicher, dass der von mir gewählte Virginia ohne Zusatzstoffe irgendwann vertrocknen wird, noch bevor alles verraucht ist. Um den Genuss noch zu erhöhen genehmigte ich mir ein Achtel Rotwein von unserem Lieblingswinzer und kurze Zeit später gesellte sich auch meine Liebste zu mir und wir plauderten über dies und das, das Leben halt. Zum Schluss zerdepperten wir noch eine fast volle Flasche Rotwein, aber Scherben bringen bekanntlich Glück und so trugen wir‘s mit Fassung. Ein gelungener Abend. Nach dem Frühstück stand der wöchentliche Großeinkauf am Programm, zudem war eine Replik auf den blauen Brief vom Vortag zur Post zu bringen und Bargeld zu besorgen, um die nächste Lieferung vom Winzer bezahlen zu können und die Taschengeldschulden bei unseren Jungs zu begleichen (wir hatten nämlich aufgrund unserer geringeren Einkünfte durch die aktuelle Situation die Auszahlung reduziert). Während der Fahrt auf dem Rad zum Gewerbepark mit meiner Mund-Nasen-Bedeckung um den Hals hatte ich eine Vision. Ich könnte doch, so meine Gedanken, endlich meinen Kindheitstraum wahrmachen, und mich als Cowoboy durch die staubigen Straßen und in den Stores bewegen. Mein „Piratentüchl“ vor Nase und Mund und auf dem Kopf einen Cowboyhut vom Feinsten. Letzteren müsste ich allerdings noch besorgen. Auf diese Weise könnte der Humor das schlechte Gefühl des Gezwungen-Werdens besiegen, bin ich doch ein erklärter Gegner der „Maskenpflicht“, halte mich aber aus gelebter Solidarität (und nicht aus Gruppenzwang) daran, in der Hoffnung, dass sich die Sinnhaftigkeit der Maßnahme möglichst früher als später ad absurdum führt. Fürs Mittagessen bereitete ich gebundene Gemüsesuppe nach Omas Rezept und Milchreis mit Äpfeln zu. Es mundete der ganzen Familie, was mich freute. Kater Dario hat die Angewohnheit, wenn wir ans Tischdecken gehen (ob indoor oder outdoor), sofort zur Stelle zu sein, um durch eindrucksvolles Maunzen seinen Anspruch auf Verpflegung geltend zu machen. Aufgrund unseres Einkaufs hatte er erst am späten Vormittag mit seinem täglichen „Freigang“ begonnen, er verbrachte auch die Mittagszeit im Garten, fetzte durch die Gegend und jagte alles, was sich bewegte. Irgendwann gegen 16 Uhr schlief er dann erstmals tief und fest, geschützt zwischen den Wäscheständern, draußen ein. Da Germ momentan und weiterhin Mangelware ist, war ich gezwungen unseren Osterstriezel nicht selber zu machen, sondern zu kaufen. Junior Nr.1, unser Ältester, der verträumte Dichter und verwirrte Professor, packte diesen – wie ich, als ich das Brot fürs Abendessen schnitt, bemerken musste – in unseren Brotsack und stopfte obendrauf noch Brot und Toast, so dass sich der Striezel in Mitte gefaltet hatte und völlig außer Form geriet. Ich war verärgert. Es war an unserem Ältesten, hier einen Lösungsvorschlag zu entwickeln. Wir einigten uns schließlich darauf, dass er durch eine Einzahlung von seinem Taschengeld in die Haushaltskasse das Backwerk zu seiner Verwendung erwarb, und am nächsten Tag von uns Eltern ein neuer für die Familie gekauft würde, der auch so ansehnlich war, dass er einen gebührenden Platz am Feiertagstisch verdiente. Kater Dario hatte an diesem Tag auch ein Missgeschick zu vermelden. Wir hatten einen Teil des Holzstreus in unseren Brennholzkorb geleert, da wir seine „Außentoilette“ wegen fortwährender Nichtbenützung aufgelassen hatten und im Kastekisterl indoor noch kein Nachschub notwendig war. In seiner Freude über eine vermeintlich zweite Toilette, benutzte er diese auch. Allerdings hinterließ sein Geschäft eine Lacke unter dem Korb. Wir waren gnädig, ärgerten uns nur über uns selber, hatten wir das Missverständnis doch erst hervorgerufen. Der Nachmittag im Garten endete mit einem Abendessen im Freien und meiner Vorfreude auf einen weiteren Abend im Grünen.
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Ein Film in bester Besetzung mit ebenso guter Kritik fand zum Start des neuen Lebenstages bei mir keinen Anklang. Ich schlief früher ein als sonst.
Und am nächsten Morgen ging es recht früh schon ans Vorbereiten des Mittagessens, der Ofen musste angeheizt werden und die Kartoffel geschält, denn es gab Erdäpfelgulasch nach Art meines Vaters, allerdings weniger scharf, also familienkompatibel. Alles war rechtzeitig fertig und ich war mit dem Ergebnis der knapp zweistündigen Arbeit aufs Höchste zufrieden. Der Nachmittag dann eine Hochschaubahn der Gefühle. Zuerst ging ich unvoreingenommen zum Postkasten in Erwartung der beiden von mir bestellten Filme (Ich schrieb davon: Der Zauberer von Oz und Die unendliche Geschichte). Drin aber lag bloß ein blauer Brief. Bloß? Zuerst einmal war ich verblüfft, dass nun selbst blaue Briefe einfach ohne Empfangsbestätigung zugestellt werden, wahrscheinlich eine Regelung auf Basis der aktuellen Notfallsmaßnahmen. Mir fehlte die Motivation, mich hier schlau zu machen. Der Inhalt des Briefes ein seit geraumer Zeit erwarteter Beschluss des Bezirksgerichtes Linz, man habe nun einen Sachverständigen eingesetzt, um meine Einkommens- und Vermögenslage abschließend beurteilen zu können. Der Grund? Eine lange Geschichte, die ich hier in kurzen Worte erstmals einer größeren Öffentlichkeit preisgeben werde, ein Coming-Out der besonderen Art also. Begonnen hatte das ganze Schlamassel im Herbst 1994. Es war eine Zeit des Lebensumbruches, ich war ein halbes Jahr lang in einem zu jener Zeit sogenannten vegetativen Erschöfpungszustand verharrt und machte gerade die ersten Schritte in mein neues Berufsleben. Als seit sieben Jahren verheirateter Mann und Vater von zwei Töchtern galt es behutsam vorzugehen. Aber das Leben will es manchmal stürmisch – und wenn eines wohlerzogenen Menschen manipulierter Geist auf Wanderschaft geht, Herz und Seele befreit, dann brechen Dämme. Ich traf dazumals an meinem ersten Abend auf der Religionspädagogischen Akademie, an der ich sechs Jahre lang berufsbegleitend zum Religionslehrer für den gesamten Pflichtschulbereich (Volks-, Mittel- und Polytechnische Schule) ausgebildet wurde, jene Frau, die mir mein Leben ungemein schwer machen sollte, weil ich es viel zu lange zuließ. Eine junge Frau, im sechsten Monat schwanger mit einem Sohn, dessen Vater nichts davon erfahren sollte und dessen „geplanter“ Vater sich der Aufgabe nicht stellen wollte, Tochter eines katholischen Priesters (wie sich erst später herausstellen sollte), ein höchst ambivalentes Wesen aus einer Mischung aus Hilfsbedürftigkeit und Grenzenlosigkeit. Ich roch die Freiheit, ich fühlte mich in meiner Rolle als Frauenversteher und -retter angesprochen (was ich übrigens meiner Mutter zu verdanken habe, aber das ist eine andere lange Geschichte, die ich hier – noch - nicht explizieren will). Wir verloren uns dann für knapp ein Jahr aus den Augen, da sie sich vom Studium karenzieren ließ, aber, das was ich durch die Begegnung mit ihr geschnuppert hatte, war so aufregend und anziehend, dass in den Jahren danach kein Stein auf dem anderen blieb. Das Studium beendete ich zwar im Jahr 2000 mit meiner Diplomprüfung, ich übernahm auch schon ab 1997 Lehrverpflichtungen als Religionslehrer in Wiener Schulen, aber ich verlor meine Frau und wurde zu einem unzuverlässigen Vater für meine Töchter, obwohl ich sie weiterhin zweimal unter der Woche und alle zwei Wochenenden betreute. Meine Seele aber war nicht wirklich bei ihnen. Und im ersten Jahr des neuen Jahrtausends bezog ich mit jener Frau und ihrem Sohn eine gemeinsame Wohnung. Der Junge war mir sehr ans Herz gewachsen, auch seine Situation mit dem nunmehr dritten Vater seines jungen Lebens, der nun wieder verschwunden war, rührte mein Mitgefühl und meinen Retterinstinkt. Aus einer Wohngemeinschaft wurde eine Beziehung, aus dem jungen Mann wurde mein Sohn, da ich ihn durch Eintrag in die Geburtsurkunde als meine leiblichen Sohn anerkannte. Ich war wie ferngesteuert in all den Jahren, ich lief geradewegs in mein Unglück. Ich war das Opfer vieler Manipulationen, man, also jene Frau, suggerierte mir, dass ich das Problem sei, was ich bereitwillig glaubte, obwohl ich mich durch ihre Lebensart immer tiefer ins Schlamassel ritt, persönlich und finanziell, Als ich dann vor rund zehn Jahren weder ein noch aus wusste, begegnete ich meiner Liebsten, der Allerliebsten. Zuerst auf Facebook, dann im realen Leben. Was ich damals um keine Preis wollte, war eine neue Beziehung anzufangen. Was das Leben mit mir vorhatte, war, mich brutal aus meinem Zickzackkurs herauszureißen und mir Kalt-Warm zu geben. Meine Liebste und ich trafen uns, verliebten uns, liebten uns. Und noch an jenem Abend gab ich der einen zu verstehen, dass es aus sei und entschloss mich, mein Leben in einer neuen Beziehung, die sich für mich wie das ersehnte Zuhause anfühlte, weiterzuführen. Doch es war ganz und gar nicht so einfach. Jene Frau entzog mir ihren Sohn. Alle Kontaktversuche schlugen fehl. Ich wurde auf Unterhalt verklagt, wogegen ich mich zuerst sträubte, dann aber einsehen musste, dass ich mit der Übernahme der Vaterschaft (die auch nicht wieder rückgängig gemacht werden konnte) auch Alimente zu leisten hatte. Ich tat dies bis zur Volljährigkeit des Jungen, ich erhielt aber weiterhin keine Antwort auf meine Briefe an ihn. Ich verlor die von mir gegründete Schule, ich musste mich beruflich neu orientieren, ich heiratete meine Liebste und wurde sozialer Vater ihrer beiden Söhne. Und ich wurde wütend über meinen Sohn und schrieb ihm zu seinem achtzehnten Geburtstag, dass er sich nun entscheiden solle, ob er mich treffen und mich als Vater akzeptieren würde oder ob er sich lieber an seinen leiblichen Vater halten wolle. Ich erhielt keine Antwort. Ich verlor in dieser Zeit auch den Kontakt zu meinen mittlerweile erwachsenen Töchtern, die jüngere (von der ich schon erzählt habe, weil sie zum Auftakt dieses Lebensjahres bei meinem Geburtstagsfest da war) hatte zwar rund vier Jahre bei mir und jener Frau gelebt, es war aber eine durchaus schwierige Zeit für sie. Die Jahre vergingen, rasend schnell und geprägt von all dem, was ich mit meiner Ex und auch meine Allerliebste mit ihrem Ex auszufechten hatten (und noch immer haben). Wir hatten in unseren vorherigen Beziehungen offenbar genau den gleichen Menschentyp zu unseren Partnern gemacht, Wesen, die mit ihrer Persönlichkeit wie die Faust aufs Auge zu unserem Persönlichkeitstypus passten. Nun, die Jahre vergingen also, und wir waren aufs Land gezogen, lebten in unserer neuen Heimat schon mehr als ein halbes Jahr als plötzlich jener erste blaue Brief aus Linz kam, in dem ich von meinem mittlerweile 24-jährigen Sohn auf Unterhalt geklagt wurde – und zwar rückwirkend auf 3 Jahre, weil es das Gesetz ermöglicht. Ich ließ mich beraten und erfuhr, dass das nicht so einfach möglich sei. Der zuständige Rechtspfleger aber hatte eine andere Rechtsauffassung. Der Versuch eines Vergleichs schlug fehl, weil ich zu der Auffassung gelangt war, dass das aktuelle Studium des jungen Herrn, der sich trotz meiner alljährlichen Geburtstagswünsche nie bei mir gemeldet hatte, Liebhaberei sei und keine Berufsausbildung bzw. seine Berufsaussichten keineswegs verbessere. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung zum Freizeitpädagogen hatte er einige Jahre später – ohne jemals erwerbstätig geworden zu sein und offenbar von seiner Mutter erhalten – ein Bachelorstudium zum Tanzpädagogen inskribiert. Da seine Mutter nun nicht mehr zahlen wollte, sah er sich genötigt, mich zu verklagen – ohne vorher den Versuch zu unternehmen, mit mir zu reden. Ich war fassungslos. Ich bin es bis heute. Und jener blaue Brief, von dem ich einleitend sprach, ist nun der nächste Schritt eines mittlerweile fast zweijährigen Verfahrens. Mein Ziel ist es, den jungen Mann zu einem Gespräch zu bringen, wobei dies aussichtslos scheint. Daher wird es jetzt hart auf hart gehen, denn unter den gegebenen Umständen bin ich keineswegs bereit, auch nur einen Cent zu zahlen. Wer mich kennt, weiß, dass man von mir alles haben kann. Aber dann darf man mir bitte nicht so blöd kommen. Es bleibt also spannend und so war ich froh, dass mein Interview mit Thomas Mohrs stattfinden konnte, es war ein sehr bewegendes Gespräch über Bildung und Schule in Zeiten von Corona und ohne bzw. danach oder mit. Ein Wermutstropfen war allerdings auch hier dabei. Thomas teilte mir die Einschätzung eines seiner Kollegen mit, der in einer „Corona-Kommission“ mitwirkt. Und der geht davon aus, dass die „Maßnahmen“ wohl mindestens bis zum Jahresende, wenn nicht sogar noch bis zu 18 Monate dauern könnten. Das Ziel sein nämlich die Entwicklung eines Impfstoffes oder eines Medikaments. Ach du liebe Güte. Ich brauchte Bewegung und so begleitete ich meine Liebste auf ihrem Weg zur Apotheke, die glücklicherweise rund 4 Kilometer entfernt liegt. Also rauf aufs Rad und nichts wie hin und wieder zurück, wobei wir auf dem Rückweg noch beim örtlichen Greisler Station machten, Osterschinken und Ostersüßigkeiten für unsere Junges kauften und ich eine Literflasche Almdudler aus Glas entdeckte und erwarb. An solchen finnischen Sommertagen Anfang April tut ein Radler nach dem Radeln richtig gut. Und mit ihm lässt sich auch die Dankbarkeit feiern, dass ich nun an die Richtige geraten war, die, mit der ich mir auch das gemeinsame Altwerden vorstellen kann. Da ich diese Zeilen schreibe, sitze ich an diesem Abend erstmals im Garten. Es ist Karfreitag. Gerade vorhin habe ich Ratschen gehört. In unserem Dorf wurden die Kinder vom Pfarrer aufgefordert, weil sie nicht ratschen gehen können, zu einer verabredeten Zeit im Garten zu ratschen und zu rufen. Dieser Brauch ist mir schon seit Kindertagen vertraut, ich habe ihn immer in meinem Osterurlaub in der Steiermark live erlebt, dann viele Jahre nicht mehr und erst seit zwei Jahren, seit wir am Land leben, wieder.
Es war ein wunderbarer Auftakt in den neuen Lebenstag. Mein lieber Interviewpartner für meine nächste Radiosendung, der als Hochschulprofessor an der PH OÖ in Linz wirkt, schickte mir einen Kurzfilmtipp: Room on the broom. Kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Ein Fehler. Ich empfehle ihn hiermit jedem/jeder Leser*in meines Blogs. Und kurze Zeit später, es war schon nachts, lieferte er mir „Alike“, ein ganz, ganz wichtiger Kurzfilm für alle, die mit Schule zu tun haben, um zu erkennen, was sie in der aktuellen Form anrichtet. Ich schlief erfüllt in den Namenstag meines Vaters. Es gibt Daten, die vergesse ich nie. In meiner Familie hatten Namenstage eine ähnlich Bedeutung wie Geburtstage, sie wurden mit Geschenken gefeiert. Und die „Feiertage“ meines Vaters die durfte niemand vergessen, auch wenn er sie manchmal vergaß und nicht, so wie erwartet abends nach seinem Dienst beim Bundesheer heimkam, sondern mit seinen Kameraden feierte, oft bis spät in die Nacht, immer wieder auch durch die Nacht. Wir sahen ihn dann erst am drauffolgenden Abend, was unsere Feierlaune erheblich trübte. Tja, Eltern sind eben auch nicht perfekt, selbst wenn sie es von ihren Kindern erwarten. Das ist die beruhigend beunruhigende Botschaft dieser Erlebnisse. Durch das Vertikutieren war „Mahd“ entstanden, die ich in der Sonne trocknete. Der Duft dieses Heus und der Duft des sonnenbestrahlten Holzzauns katapultierten mich neuerlich in die Urlaubstage meiner Kindheit im grünen Herz Österreichs. Sie brachten mich aber auch in die Sommerferienzeit der letzten Jahre in Finnland, wo wir einige Wochen im Mökki verbrachten, das mitten im Wald liegt, unweit von einem schönen, großen.kühlen See. Ich liebe diese Gegend im hohen Norden auch deswegen so, weil sie mir seit Kindertagen quasi vertraut ist. Die finnischen Ebenen sind klimatisch und vom Gefühl her mit jenen Gegenden vergleichbar, die ich als Kind mehrmals im Jahr bereiste. Ein Glücksgefühl. Junior Nr. 3 und ich machten uns nachmittags maskiert zum Supermarkt auf. Davor wünschte sich mein Junge noch einen Spaziergang im Auwald. Mir war schon aufgefallen, dass ihm trotz Gartens und des einen oder anderen Sportangebots, die nötige Bewegung langsam abzugehen begann, immerhin hatte er seit knap vier Wochen auf sein zweimaliges Fußballtraining verzichten müssen. Also willigte ich ein. Der Spaziergang glich einem Marsch in der Hitze eines Sommertages, die Bäume im Auwald trugen noch kaum Blätter, die Sonne strahlte heiß vom wolkenlosen Himmel und der Boden staubte bei jedem Schritt unter unseren Füßen. Uns verging sehr schnell die Lust. Beim Einkaufen dann schwitzten wir weiter unter unserer Mund-Nasen-Bedeckung. Meine Motivation, mich von nun an bei jedem Einkauf maskieren zu müssen, drohte unter diesen Bedingungen gänzlich zu verschwinden, zähle ich doch zu jenen Menschen, die diese Maßnahme für kontraproduktiv halten, weil sie erstens die Maske zu „Sondermüll“ macht, in der die Keime fröhliche Urständ‘ feiern und zum zweiten die anderen Regeln wie Abstandhalten und Sich-Nicht-ins-Gesicht-Fassen konterkariert. Aus Solidarität bin ich natürlich bereit, mich dieser „Maßnahme“ zu beugen, aber es schmerzt. Zuhause angekommen tobten wir uns im wesentlich kühleren und schon schattigen Garten bei mehreren Partien Tischtennis aus und konnten auf diese Weise auch die eine oder andere Emotion loswerden. Können wir nach Ostern endlich Auferstehung feiern, wie es unser Messias Sebastian vor wenigen Tagen verkündet hatte, wenn wir uns brav verhalten? Fußball! Mein Jüngster hatte tags zuvor, als er Tom Turbo anschaute, auf der ORF TV-Thek entdeckt, dass es zwei Fußballspiele aus der Vergangenheit in voller Länge zum Wiedersehen gab. Wir entschieden uns für die Begegnung zwischen Austria Salzburg (noch ohne rotem Stier, aber auch sehr erfolgreich) und Austria Wien aus dem Jahr 1995. Für meinen Sohn war es deutlich zu sehen, wie sich er Fußball in diesen 25 Jahren verändert hatte, das Spiel war langsamer, aber wesentlich körperbetonter, um es einmal milde auszudrücken. Das Reinsteigen nahm enorme Ausmaße an, die Spieler schenkten sich nichts, die Schiedsrichter sahen meist von drastischen Sanktionen ab, es gab etliche Freistöße und die eine oder andere gelbe Karte. Interessant fand ich auch, Adi Hütter, den jetzigen Frankfurt-Trainer und Wolfgang Feiersinger, den Vater der ÖFB-Fußballerin Laura Feiersinger beim Spielen zuzuschauen, an der Seitenlinie bei Salzburg wirkte Otto Baris, gewohnt emotional. Bei den Wienern coachte ein gewisser Egon Cordes, der dadurch auffiel, dass er gegen Ende des Spieles, nachdem die Seinen bereits uneinholbar 0:3 zurücklagen, einen Spieler in die Kabine schickte, mit dessen Leistung er nicht zufrieden war und, da das Austauschkontingent schon ausgeschöpft war, sein Team das Match zu zehnt zu Ende spielen ließ.
Am nächsten Morgen stand Gartenarbeit am Programm, ich vertikutierte die Spielwiese meines Sohnes in mehreren Etappen, es staubte gehörig, die Folgen eines niederschlagsarmen Winters. Gleich danach machte ich das Wasser für den Garten startklar, der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage keinen Nachtfrost mehr verkündet. Am Vormittag wurde jenes Kabel geliefert, das mir für das Interview mit Thomas Mohrs fehlte, zu Mittag landeten unsere Mund-Nasenmasken aus Baumwolle, die wir eine Woche zuvor bei einem österreichischen Unternehmen online bestellt hatten, im Postkasten. Am Vormittag noch ein Notruf meiner Frau, der Bildschirm ihres Laptops zeigte viele Farben, aber kein Bild. Ich richtete also auf dem meinen einen Arbeitsplatz für sie ein, hatte sie doch an diesem und den folgenden Tagen einige Skypekurse mit ihren Sprachkurskund*innen zu absolvieren. Gleichzeitig begannen wir via Onlie-Flohmarkt, ein günstiges Ersatzgerät zu suchen. Dabei ging mehr Zeit drauf als gewollt, die Zubereitung des Mittagessens konnte daher nicht pünktlich von statten gehen und nach einem kleinen Donnerwetter meinerseits half die ganze Familie mit, Erdäpfelauflauf zu machen. Vor allem das Kartoffelschälen, das überhaupt nicht meine Lieblingsbeschäftigung ist, wurde unter allen aufgeteilt und mit 45 Minuten Verspätung stand dann ein gschmackiges Mahl auf dem Tisch. Nach der Mittagspause, die ich diesmal windfrei draußen verbrachte, inspizierten mein Jüngster und ich den Dachboden, fanden nichts, was ihn interessierte, fanden aber Fliesen, die ich gut zum befestigen des Saunazeltes verwenden konnte und die ich daher über die steile Holzstiege sicher nach unten brachte und gleich „installierte“. Kleinere Arbeiten im Garten vollendeten den Nachmittag, wir konnten an diesem Tag sogar draußen zu Abend essen. Danach gaben sich Junior und ich Spiel Nummer 2 aus der ORF-TV-Thek: Salzburg (schon mit Bullen) gegen Rapid aus 2008. Fußball wie wir ihn heute noch kennen, allerdings nicht von Rapid. Denn die Grün-Weißen führten nach einer Viertelstunde bereits 4:0 – und das auswärts – und gingen nach 90 Minuten als 7:0-Sieger vom Platz, so dass es auch dem damaligen Salzburgtrainer Giovanni Trappatoni die Sprache verschlug bzw. er ob seiner Emotion beim Interview nach dem Spiel einen Dolmetscher brauchte. Diesmal war die Flasche allerdings nicht leer, er hatte noch nicht fertig, spielte die Saison zu Ende, verlor den Meistertitel aber an Rapid (übrigens der letzte Sieg des Rekordmeisters), konnte aber immerhin den Cup gewinnen. Wir sahen jedenfalls Fußball vom Feinsten, ein spannendes und trefferreiches Spiel. Der Tag endete wie er begonnen hatte: mit Fußball! Den Tag beginne ich mit dem Schreiben meines Blogs und mit Kästner-Lesen. Die Nacht dennoch traumreich, der Vollmond naht. Am Morgen nach dem Frühstück startet der wöchentliche Putztag, unser Kater Dario hat sich schon einigermaßen an seinen Intimfeind den Staubsauger gewöhnt, noch dazu, wo er die Zeit ja auch schon im Garten verbringen kann.
Der Tag hat einen großen Wermutstropfen. Meine Vereinbarung mit meinem Jüngsten in Bezug auf Handyzeit hält nicht. Das heißt, es fällt ihm von Mal zu Mal schwerer, die vereinbarte Zeit einzuhalten. Vor einigen Wochen ist er ja auf die Idee gekommen, sich ein Fußballspiel runterzuladen, dann ein zweites. Ich beobachtete, bin ich doch aus Theorie und Praxis kein Fan des Gamings, auch nicht beim schulischen Lernen (so es denn sein muss – und vor der Externistenprüfung muss es doch öfter sein, als es meinem Sohn – aber auch mir – lieb ist). Ich habe reichlich Erfahrung in der Suchtprävention, bin ein Vertreter des Freispiels und des spielerischen, immanenten und differentiellen Lernens. Nun habe ich zur Motivation für das Mathematiklernen meinen Jüngsten öfter an meinem Laptop Lernspiele machen lassen, ebenso die Lernapp Anton auf seinem Handy (meinem alten Smartphone) installiert. Für das Spielen waren 20 Minuten pro Tag vereinbart. Mit eben jener Wirkung, die ich gerade beschrieben habe. Also galt es ein ernstes Wort mit dem jungen Mann zu reden, und ihn um seine Vorschläge zu bitten. Unter Tränen gab er den Verzicht auf das Handy für eine Woche bekannt, nur um es mittags wieder in die Mittagspause mitzunehmen. In solchen Situationen pflege ich in der Ruhe zu bleiben. Ich bat ihn also, als ich es bemerkt hatte, mir sein Handy auf den Schreibtisch zu legen. Seine Frage „Wieso?“ beantwortete ich mit „Weil ich weiß, dass du es bei dir hast und das gegen unsere Anmachung verstößt.“ Er lieferte, ohne Gesichtsverlust. Auch ich verlor dabei weder meine Contenance noch mein Gesicht und ließ das Mobiltelefon in den Tiefen meines Aktenschrankes verschwinden. Von da an starteten wir die altbekannte Methode des Malreihenlernens face to face. Ungewohnt, aber effektiv. Diese Zeit braucht es – und ich investiere sie auf diese Weise lieber als in Machtkämpfen um ein elektronisches Irrsinnsding. Ich bin aber auch froh, dass ich den Versuch auf diese Weise gewagt haben, weil ich meinem Sohn so auch ganz klar Erfahrungswerte liefern kann, die alles theoretische Wissen praktisch bestätigen und mich darin bestärken, dass ein Smartphone in den Händen eines Juniors nichts verloren hat. Während des Putzvormittags erweiterte Dario sein Revier um den Dachboden und mein Jüngster nutzte das Hochbeet (das noch auf seinen Inhalt wartet) als Spielobjekt zum Verstecken, an diesem Tag verbrachte er sogar seine Mittagspause (nach dem Smartphoneeklat) auf einer Matratze hinter dem Bretterwall. Apropos Mittagspause. Der kräftige Wind machte das Draußenliegen sehr unangenehm. Er erinnerte mich in Kombination mit der strahlenden Sonne und dem blauen Himmel an meine Aufenthalte am Meer. Das von ihm gebeutelte Saunazelt wurde im Dahindämmern zum Schlagen der Segel und mir war, als könnte ich den Duft des Ozeans riechen. Im Süden war ich öfter als im Norden – noch, denn da ich mit meiner finnischen Frau zusammen bin, wird die Ostsee im Lauf der Zeit wohl den Sieg über die Adria davontragen. Und bei Sommertemperaturen wie diesen, ist es auch die mir liebere Destination. So wir irgendwann wieder frei reisen können … Im Schatten des Wochenendes. So formulierte ich früher jene Stimmung, die mich erfasste, wenn am Freitag alles getan war, wenn der Postler seiner Wege gezogen ist und ein Gefühl der Entspannung einkehrte. Nun sind wir seit drei Wochen zwangsweise in einem langen, ganz, ganz langen Wochenende, das sich nicht wirklich wie ein Wochenende anfühlt. Der Schatten des echten Wochenendes war ein positiver, angenehmer, er vermittelte Freiheit und Selbstbestimmung, er ließ mich im Eindruck, mich in Sicherheit zu befinden. Jener Schatten, der nun über der Welt liegt, vermittelt vielen, nicht nur mir, das Gegenteil davon. Aber wie sagt ein Werbespot, der uns – so wir noch – Radio hören, mehrmals täglich zu Gehör gebracht wird : „Durchhalten!“
Und nun bin ich schon bei meinem Satireabend, mit dem ich dieses Wochenende eingeleitet habe. Zuerst gab es eine Dreiviertelstunde lang Christian Ehring und seinen Wochenrückblick auf ARD, danach schaute ich noch die Dienstag-Sendung von „Willkommen Österreich“. Nicht alles sprach mich an, aber das tut Satire selten, weil sie mir manchmal zu platt ist, das eine oder andere Mal auch zu weit geht. Aber immer wieder sind sehr treffende Pointen dabei, die mich zum Lachen bringen und mich mit dem Humor versorgen, der überlebenswichtig ist, gerade in Zeiten wie diesen. Der Samstag dann ein Tag voller Schmerzen. Mein Rücken gab mir zu verstehen, dass ihm die Bewegungslosigkeit schon sehr zugesetzt hatte und das ständige Wechseln vom Sofa zum Schreibtisch und von dort in den Liegestuhl und wieder zurück auf Dauer und in dieser Menge nicht das Wahre ist. Ich aktivierte mich, nahm den Bau des Hochbeets in Angriff, das Material dafür hatte ich ja – wie beim Zaunbau – am Stadelboden in Hülle und Fülle gefunden. Da meine Stichsäge vor geraumer Zeit den Geist aufgegeben hatte, waren Fuchsschwanz und Körperkraft gefragt. Mit Unterstützung meines Jüngsten gelang es am Vormittag, alle Bretter und Pfosten dafür in die richtige Länge zu bringen. Nach der Mittagspause in der Horizontalen fühlte ich mich um keinen Deut besser, eher schlechter. Es galt zu handeln. Also bereitete ich eine Sauna vor. Dann schwang ich mich auf‘s Rad, um Biernachschub zu holen (den ich schon am Vortag leider erfolglos, weil auf mein Lieblingsbier fixiert, aufzufüllen versucht hatte), diesmal mit dem Vorsatz, keine besonderen Präferenzen zu haben, nicht einmal beim Preis. War ich noch tags zuvor ohne Mundschutz ausgerückt und dabei im Supermarkt auf ausschließlich Maskierte getroffen und hatte von ihnen den einen oder anderen Blick geerntet, so wollte ich mich diesmal konform verhalten. Kurzer Exkurs: Zum Thema Mundschutz gibt es ja verschiedene Auffassungen, so ist etwa die WHO dagegen, andere Mediziner sind dafür und der Biologe Clemens G. Arvay fühlt sich ob seiner diesbezüglich kritischen Sichtweise in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt, wie er, neben den sachlichen Gründen, in einem auf Youtube und über Facebook verbreiteten Video verlautet. Wie auch immer ihr diese Maßnahme bewertet, wichtig ist jedenfalls, dass auch in Zeiten wie diesen keinesfalls die persönliche Meinung unterdrückt werden darf, vielmehr sind auch – wie ich schon früher in diesem Blog geschrieben hab – gerade jetzt verschiedene Sichtweisen und ein anhaltender Diskurs wichtig, um richtige Entscheidungen zu treffen bzw. Entscheidungen richtig stellen zu können, die aus der Not heraus schnell getroffen worden sind. Da die von mir bereits am Montag für die Familie bestellten wiederverwendbaren Stoffschutzmasken noch nicht eingetroffen waren, setzte ich auf mein schwarz-weiß gemustertes Halstuch. Bevor ich losfuhr machte ich vor dem Spiegel noch eine kleine Probemaskierung, ich erinnerte mich an meine Zeit als Cowboy in meinen Kindertagen. Gesichtsmaskierung war noch nie so meines. Zuletzt trug ich eine medizinische Maske bei der Geburt meines Jüngsten vor knapp 9 Jahren. Im Vorraum des Supermarktes befestigte ich das Tuch also vor Mund und Nase und trat – gefühlt wie einer, der gleich zum Überfall schreitet – in den Verkaufsraum. Und siehe da: Niemand war maskiert. Ich eilte zum Bierregal, fand sogar drei Kisten meines Lieblingsbieres, von denen ich eine mitnahm, eilte weiter zur Kassa und traf dort auf eine Kassierin, die weder Handschuhe noch Mundschutz trug. Auch diesmal trafen mich „Blicke“. Woraus für mich zu erkennen war, dass ich wohl daran zu arbeiten habe, diese „Blicke“ auszuhalten, also ein „Anderssein“. Zurück zuhause war die Sauna fertig und ich genoss die nächste Stunde im Beisein meiner Liebsten und unseres Jüngsten. Danach schauten mein Sohn und ich die Verfilmung von Petterson und Findus mit Ulrich Noethen in der Rolle des Hausherrn, die ich als durchaus gelungen empfand, wie wohl ich gestehen muss, dass mich die Bilderbücher und auch die Zeichentrickserie (mit den Originalzeichnungen aus dem Buch) wesentlich mehr ansprechen. Der Samstagabend war diesmal zwei ARD-Dokus gewidmet. Zuerst schaute ich 90 Minuten lang zum Thema Energiewende, gelungen, aufrüttelnd und hoffentlich auch jene erreichend, die politische Verantwortung tragen, wiewohl – so der Tenor – die besagte Wende nicht „top down“ sondern „buttom up“ vollzogen wird, womit es also auf uns ankommt. Meiner Liebsten, die ja seit kurzem Gemeinderätin bei uns im Dorf ist, habe ich danach sofort den „Floh“ von einer energieautarken Heimatgemeinde ins Ohr gesetzt. Ich bin gerne bereit, meinen Beitrag zu leisten. Danach folgte ich den Spuren eines der ersten Wolfsrudel in Deutschland. Auch hier die klare Botschaft, dass erst der Mensch die Tiere zu jenen Problemfällen macht, die er dann „aus der Natur entnehmen“ muss, damit sie keinen weiteren Schaden anrichten. Die Nacht unruhig, die Schmerzen quälten. Der Sonntagvormittag dann einerseits Dario und seinem nächsten Aufenthalt im Garten gewidmet (in dem er sich schon sehr sicher bewegt) und dem Pizza- sowie Brotbacken. Für die Familienpizza nach Art des Hauses griff ich diesmal – nach der erfolglosen Suche nach einem einfachen und guten Rezept für einen Vollkornpizzateig – auf Eigenkreation und war erfolgreich. Der bunte Belag und unser CELUS-Küchenherd taten ihr Übriges und es blieb kein Krümel auf den Tellern. Die Mittagspause dann wieder im Garten – und auch Dario blieb in dieser Zeit draußen, fand aber trotz mehrmaliger Versuche – auf mir, zu meinen Füßen, an verschiedenen Stellen unter meiner Liege – nicht die nötige Ruhe und trabte schließlich gegen Viertel nach drei müde an einen seiner Lieblingsplätze im Haus, wo er bis zum Abendessen um halb sieben tief und fest schlief. Ich stellte gemeinsam mit meine Jüngsten das Hochbeet fertig, berechnete die Menge an Erde, die wir benötigten, checkte mit meiner Frau Möglichkeiten, in Zeiten wie diesen, an diese Erde zu kommen, plante mit ihr unsere Aussaat, füllte noch vier Blumenkisten als Vorbeete, besserte noch die Kellertüre aus, damit Dario zukünftig auch gefahrlos den Abstellraum erforschen könnte, und spielte mit meinem Sohn noch eine Runde „Taxifahrer unterwegs“, eines der Lieblingsspiele meiner Kindheit. Und damit war das Wochenende auch schon fast wieder vorbei – und mit ihm der Großteil meiner Schmerzen, die sicher auch deswegen aufgetreten waren, weil die Anspannung der letzten Wochen durch die Ankündigung einer Lockerung der von der Regierung befohlenen Maßnahmen nachließ, eine klassische Wochenendgrippe meiner Muskeln offenbar. Nun habe ich doch glatt mehr als 2 Tage Auszeit vom Schreiben eingelegt, nach den Worten über Tag 39, die ich am Freitagvormittag (Tag 40) geschrieben habe, nahm ich mir eine lange Atempause bis zum Sonntagabend (Tag 43). Ich war nicht in der Stimmung. Nun ist sie aber glücklicherweise zurückgekehrt und meine Kurznotizen wollen endlich in lange (aber nicht zu lange), hoffentlich interessante (und nicht lang-weilige) Sätze gefasst werden.
Nun, Tag 40 begann mit einer lange Fernsehnacht. Nachdem ich meinen Deutschunterricht gegen Viertel vor Neun beendet hatte, übersiedelte ich mit meinem Laptop vom Schreibtisch zum Roten Sofa. Dieses elektronische Ding, ein sogenannter Convertible (also ein Gerät, dass sowohl als Laptop als auch als Tablet zu verwenden ist, ist ein echter Tausendsassa und begleitet mich in allen Lebenslagen, ob als Dichter, als Lehrender, als Lernender, neuerdings als DJ oder in meiner Freizeit, wenn ich Fußball, Dokus oder Filme schaue. Bekommen habe ich ihn vor knapp drei Jahren, zu einer Zeit als ich mit meiner Familie noch am westlichen Stadtrand von Wien lebte. Kennengelernt habe ich eine wesentlich aufgemotztere Version bei einem Arbeitskollegen, bei diesem schien mir sowohl die Preisklasse als auch der Funktionsumfang für meine Verhältnisse weit übertrieben. Also machte ich mich auf einer sehr beliebten Plattform für Privatverkäufe (auf der meine Liebste auch unser Haus hier am Land gefunden hatte, weil es dort zur Miete ausgeschrieben war) auf die Suche – und wurde rasch zu einem guten Preis fündig, der noch dazu um die Hälfte unter de Verkaufspreis lag. Und das für ein Gerät, das erst vor wenigen Monaten erworben und mit Kassazettel (also mit Garantie) feil geboten wurde. Dazu musste ich nach Krichberg am Wagram fahren, mit der Mutter des Verkäufers hatte ich einen Treffpunkt in der Bahnhofshalle ausgemacht. Auf dem Weg befielen mich Zweifel, ob ich tatsächlich so viel Geld für das Gerät ausgeben sollte. Am Bahnhof traf ich eine sehr freundliche Frau in meinem Alter, die mir mitteilte, dass ihr Sohn momentan auf Urlaub wäre. Ich testete den Laptop und alles passte (sowohl die Technik, die ich in der Kürze der Zeit überprüfen konnte, als auch mein – und das war wesentlich wichtiger – mein Gefühl). Da ich dann noch eine knappe Stunde bis zur Rückfahrt Zeit hatte, wanderte ich mit dem neuen Laptop in der Tasche auf den Kirchberg, kaufte mir in der einzigen offenen Kneipe am Hauptplatz eine Flasche Bier zum Mitnehmen und ging gleich wieder zurück zur Zug-Haltestelle, um meine Heimfahrt anzutreten. Damals war mir – obwohl wir schon auf der Suche nach einem neuen Zuhause am Land gewesen waren – in keinster Weise klar, dass ich schon ein halbes Jahr später regelmäßig mit dem Zug an diesem Ort vorbeifahren würde. Nun, also ich schaute, mit Dario am Schoß, einer Flasche Bier und Knabberzeugs am Roten Sofa fern. Auf ARD stand eine Verfilmung von Sigfried Lenz‘ Roman „Der Überläufer“ am Programm, da mich zwei andere Lenz-Verfilmungen in der Vergangenheit sehr angesprochen hatten, ließ ich mich bereitwillig auf viermal 45 Minuten Fernsehen ein. Der Roman, den der Autor schon 1951 geschrieben hatte, der aber erst 2016 posthum veröffentlicht worden war, weil er dem Verlag zur Zeit seiner Entstehung zu brisant gewesen war (berichtet er doch von zwei Überläufern aus der deutschen Wehrmacht zur russischen Armee), trägt durchaus dick auf, um die Gräuel des Krieges zu veranschaulichen. Nun bedarf ich dieser Veranschaulichung nicht, um Krieg als die schlechteste aller Konfliktlösungsstrategien zu erkennen, die Abscheu dagegen ist mir als Sohn eines Berufssoldaten von meiner Mutter schon in die Wiege gelegt worden, was möglicherweise nicht die allerbeste Grundlage für Pazifismus ist, aber immerhin erzielte ihr diesbezügliches Wirken seine Wirkung. Der Protagonist wird hin- und hergewirbelt zwischen Pflichterfüllung und Desertion, die Liebe macht aus ihm schließlich jenen Überläufer, der dem Werk seinen Titel gab. Während es im Buch die Beziehung zur Schwester ist, stellt der Film seine Beziehung zur polnischen Partisanin in den Mittelpunkt – und muss zum Schluss (leider!) auch noch eins drauflegen. Der Film endet nämlich erst im Jahr 1956 – und der Protagonist sieht seine verlorengeglaubte Liebste in einer deutschen Samstagabend-Fernsehshow, wo sie als Sängerin auftritt. Noch während der Ausstrahlung steht er aus dem Fauteuil auf, zieht sich an und verlässt seine Frau und seine zwei Kinder. In der Schlussszene sieht man ihm am Lenkrad seines Autos. Der Morgen brachte eine unangenehme Überraschung. Ein wichtiges Kabel für meinen Audiorekorder war offenbar gebrochen, ich konnte das das geplante Telefoninterview mit Prof. Thomas Mohrs von der Pädagogischen Hochschule Linz für die nächste Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule“ auf Radio Orange nicht aufnehmen, da ich in Zeiten wie diesen so kurzfristig auch keinen Ersatz kaufen konnte, und musste es absagen. Online bestellte ich ein Ersatzkabel in einem Wiener Musikhaus und wurde damit meinem Schwur, kein Geld zu Amazon wandern zu lassen, gerecht. Für‘s Mittagessen richtete ich den Weitling meiner Oma her, um in ihm die Semmelknödel nach dem Rezept meiner Oma herzustellen. Sie sind und bleiben ein echter Leckerbissen, den die ganze Familie jedesmal mit Begeisterung schnabuliert. Diesmal ergänzte meine Liebste diesen Schmaus um eine herrliche Sauce mit feinsten Bio-Champignons. Auf diese Weise wurde ein stinknormales Mittagessen zum Festmahl. Da der CELUS-Küchenherd nun schon mal angeheizt war, machte ich mich nach langer Zeit erstmals wieder daran, ein einfaches Schwarzbrot aus Dinkelvollkornmehl zu backen. Es bekam, da ich es – weil ich die Geschichte unseres Fußballklubs für die im Herbst erscheinende Dorfchronik unserer Heimatgemeinde in die Endfassung brachte – im Ofen beinahe vergaß, eine schöne dunkelbraune Kruste, die sich aber als wunderbar knusprig und schmackhaft herausstellte. Glück im Unglück. Unsere Wein- und Obstbäuerin lieferte den bestellten Wein und teilte uns mit, dass die Marillenernte aufgrund des extremen Nachtfrosts der letzten Tage leider heuer zu 100 % ausfallen würde. Ein warmer Winter, ein frühes Austreiben der Blüten, ein Wintereinbruch Ende März – und schon ist‘s um die süßen Früchte geschehen. Wohl auch etwas, womit wir in Zukunft häufiger rechnen müssen, der Klimawandel vergrößert ja leider die Chance auf solche Wettersituationen. Sie trägt es aber auf die ihre eigene Weise mit Fassung – und um diese Fassung beneide ich sie. Sie ist mir nicht gegeben. Da unser Biervorrat planmäßig am Ende war, machte ich mich auf den Weg zum Supermarkt, wo man mir aber mein gewünschtes neues Lieblings-Bier nicht bieten konnte, war es doch die ganze Woche in Aktion gewesen. Ich zog unverrichteter Dinge wieder ab und widmete mich der Planung des Familienabends. Ein Film musste her, ich fand aber keine passenden in unserer Mediathek, machte mich unzufrieden im Internet auf die Suche und fand den lange schon gewünschten „Zauberer von Oz“ (mit Judy Garland aus 1939) und die Verfilmung der Unendlichen Geschichte zum Onlinekauf (wieder nicht auf Amazon) zu einem sehr günstigen Preis – und schlug zu. Auch auf die Gefahr hin, dass mit einem Familienkinoabend nichts werden würde. Der Abend war aber dennoch gemütlich, da ich meinem Jüngsten die letzten Kapitel von Erich Kästners „Der kleine Mann“ vorlesen konnte, eine wirklich unterhaltsame und vergnügliche Lektüre. Gleich nach dem Ende hatte ich Lust, den vier Jahre später verfassten Band „Der kleine Mann und die kleine Miss“ anzufangen, aufgrund der fortgeschrittenen Stunde, ließ ich es aber. Ich kenne diese Lust am Weiterlesen auch von meinen Büchern, vor allem bei Autor*innen, die mehrere Werke verfasst haben, die noch dazu als Reihe aufgebaut sind (wie etwa Mankells Wallander). Doch diesmal ließ ich meine Lust, wie schon gesagt und startete mit Satire in den neuen Lebenstag. Auch an diesem Abend, zu Beginn meines 39. Lebenstages im 55. Lebensjahr begab ich mich in militärische Gefilde. Der zweite Teil von „Meister des Todes“ wurde auf ARD ausgestrahlt. Die drei Aspekte, die mich sehr betroffen machten, waren: Der Krieg der mexikanischen Machthaber gegen ihr Volk mit Hilfe der Polizei, die skrupellosen Praktiken der deutschen Waffenindustrie in Verbindung mit den zuständige n Regierungsstellen und die Tatsache, dass Gerichte keine Gerechtigkeit herstellen, wenn schon die Gesetzesgrundlage ungerecht ist. Letzteres habe ich auch schon im Kleinen erlebt, da gäbe es nur die Möglichkeit mit viel Geld und guten Anwälten vorzugehen. Also haben wir de facto auch im Justizbereich eine Zweiklassengesellschaft, wie wir das auch aus dem Gesundheits- und Bildungssystem kennen.
Auch war der Abend zwischendurch von der aktuellen Situation in unserem Land aufgrund der Coronakrise gekennzeichnet. Zunehmend bringe ich mich in die Diskussion ein, zunehmend ergreife ich Partei für Transparenz und gegen Entmündigung, für den Erhalt der persönlichen Freiheitsrechte und gegen auf unbestimmte Zeit oder sogar Dauer geplante Überwachungsmaßnahmen und Lebenseinschränkungen. Ich poste den einen oder anderen Beitrag kritischer Journalist*innen in meinem Facebookprofil und lasse mich auf die eine oder andere Diskussion auf anderen Profilen ein. Durch Filme und Diskussionen sind auch die Nächte bewegter, die Themen wirken in meinen Träumen nach und meiner sensiblen Seele bekommt so manches Gegenwärtiges nicht wirklich. In dieser Situation fehlt mir ganz wesentlich die Zerstreuung, etwa ein Fußballmatch, ein oder zwei Bier mit einem Freund oder Bekannten, die Zugfahrten mit dem Blick ins „Narrenkastl“ (wie meine Oma jenes meditative Schauen in die Ferne oder ins Innere nannte), aber auch der direkte und nicht nur virtuelle Kontakt mit meinen Schüler*innen. Fein, dass sich morgens dann ein herrlicher Frühlingstag ankündigte mit wolkenlosem, strahlend blauem Himmel und wunderbar wärmenden Sonnenstrahlen. An diesem Vormittag stand auch Kater Darios erster Freigang auf der Tagesordnung. Er zeigte sich neugierig und vorsichtig-mutig. Nachmittags war er dann weitere 90 Minuten draußen im Garten, abends schlief er nach einem ausgiebigen Mahl dann rasch auf meinem Schreibtisch unter der wärmenden Lampe ein. Er wirkte so, als ob er es genossen hätte, seinen Erlebnis- und Erfahrungsraum zu erweitern. Warum auch nicht, stammt er doch aus der Familie der wilden Katzen und soll nicht zum Stubentiger degradiert werden. Auch wenn das – aufgrund der schmerzlichen Erfahrung mit dem Verschwinden unserer Mizzi-Katz – ein Wagnis und eine emotionale Gratwanderung ist. Nachmittags dann fasste ich mir ein Herz und schrieb mir kurz und bündig meinen Frust mit den von der Regierung gesetzten Maßnahmen in einem E-Mail an den Vizekanzler, den Sozialminister und den Bundespräsidenten von der Seele. Hier der Wortlaut: Sehr geehrter Herr Vizekanzler Kogler, sehr geehrter Herr Bundesminister Anschober, sehr geehrter Herr Steyrer, bezugnehmend auf Ihre Antwort und die Entwicklung bzgl. Härtefallfonds für Menschen wie meine Frau und ich, muss ich leider feststellen, dass wir aufgrund von Mehrfachbeschäftigungen, die aber allesamt durch die Situation vorerst ausfallen, nicht zum Bezieher*innenkreiss zählen. Daher möchte ich meine Forderung nach einem befristeten, bedingungslosen Grundeinkommen nochmals Nachdruck verleihen: 1.) Es ist unbürokratisch, da bedingungslos. 2.) Es ermöglicht allen, ihre Fixkosten weiterhin zu begleichen (also auch Bankschulden, Sozialversicherungsbeiträge, Steuerzahlungen, Mietzahlungen, Energiekosten, etc.) 3.) Es verhindert all die Kollateralschäden, die dadruch entstehen, dass wir jetzt stunden, stunden, stunden und nach der Krise nachzahlen, nachzahlen, nachzahlen müssen, obwohl wir ja die Aufträge, die wir verloren haben, nicht nachholen werden können. Mehr möchte ich nicht mehr dazu sagen; doch eines: ich bin tatsächlich enttäuscht von der Performance der Grünen in der Regierung, da ich den Eindruck nicht los werde, dass auch in dieser Krise, eindeutig die ÖVP das Sagen hat und die Grünen bloß willfährige Ausführungsgehilfen sind. In der Hoffnung (die ja bekanntlich zuletzt stirbt und weil meine anfängliche Zuversicht nach Ihrer Antwort nun geschwunden ist), dass meine Familie, alle in gleicher oder noch schlimmerer Weise Betroffenen und ich nicht zu den "Kollateralschäden" zählen, deren Existenz auf diese Weise vernichtet wurde, verbleibe ich mit herzlichen Grüßen Michael Karjalainen-Dräger P.S. Dieses E-Mail veröffentliche ich auch auf Facebook und in meinem Blog und sende es via Kontaktformular auch an den Herrn Bundespräsidenten. Der Tag klang dann mit dem nächsten Online-Abend mit den Teilnehmenden meines Vorbereitungslehrganges auf die Berufsreifeprüfung Deutsch aus. Wir beschäftigten uns nochmals – so wie in der Vorwoche – mit dem Konjunktiv 1 und 2 sowie der indirekten Rede. Thematisch standen ethische Fragen zu autonomen Autos am Programm, zu einem Zeitungsartikel war ein Leserbrief zu verfassen. Es gibt auch andere Themen als das derzeit aktuelle und überstrapazierte. Dario und ich schauen fern (also eigentlich streamen wir am Laptop, denn Fernseher gibt‘s bei uns schon seit 7 Jahren keinen mehr), es sind unsere gemeinsamen Abende am roten Sofa, er ist ein Schmusekater. Diesmal entscheide ich mich für den von der Kritik für ausgezeichnet befundenen Tatort aus Göttingen mit Maria Furtwängler als Kommissarin Lindholm. Mit ihr hatte ich in der Vergangenheit so meine Probleme, da sich die Folgen meistens um die persönlichen Befindlichkeiten der Protagonistin und weniger um den Fall selbst drehten. Stark waren die Storys dann, wenn es den Drehbuchautor*innen gelang, beides in eine gute Balance zu bringen. Und das war diesmal der Fall. Es ging – und das hatte nichts mit SciFi zu tun – um die Versuche der deutschen Bundeswehr an Soldat*innen im Mali-Einsatz, in denen ihr Gehirn bzw. bestimmte Regionen über eine neue Form von HiTec-Helmen „manipuliert“ werden kann, so dass sie etwa klarer, aggressiver oder mutiger sind oder glauben, innere Stimmen zu hören und deren Befehlen zu folgen. Daher stammt auch der Titel „Krieg im Kopf“. Ein aus meiner Sicht ungemein gut gemachter und spannender Film, der den Seher*innen sehr klar vor Augen führt, was wir alles nicht wissen, weil es als geheim eingestuft wird. Ich bin auch hier für volle Transparenz, das Krieg spielen, um des Friedens Willen geht mir so was von auf den …
Aber da sind wir ja auch schon wieder in der Realität angekommen, die Transparenz fehlt mir auch bei all den derzeit von den meisten Regierungen in Europa nach dem Vorbild Österreich getroffenen Entscheidungen zur Bewältigung der so genannten „Corona-Krise“. Zur Entspannung beschäftigte ich mich noch intensiv mit weiteren Features meine Virtual DJ-Programms. Ungalublich, welche Möglichkeiten da bestehen. Ich bekam große Lust, mal eine Session live zu streamen, muss mich aber in den nächsten Tagen mal rechtlich schlau machen. Einer Online-Lesung meiner Texte, wie ich sie schon für den österreichweiten Vorlesetag am 26.3. geplant hatte, steht ohnehin nichts im Wege außer die noch nicht erfolgte Planung. Am Morgen hatte ich ein weiteres Onlinemeeting mit der Grünen Wirtschaft am Kalender geplant, allerdings musste der Mittlere zeitgleich an einer Online-Sitzung seiner Klasse teilnehmen, also sagte ich kurzfristig ab. Vizekanzler Kogler hatte via Ö1 ja Verbesserungen für Menschen wie mich bei der finanziellen Unterstützung hinsichtlich des Einnahmenausfalls in Aussicht gestellt, ich werde diesbezüglich dennoch ein weiteres an ihn E-Mail verfassen. Zum Mittagessen briet ich die Würstel in der Pfanne am CELUS-Küchenherd, während meine Liebste die Beilagenkartoffel zubereitete, nach einer kurzen Mittagspause in der Sonne im Garten machte ich mich per Fahrrad auf den Weg zur Bank in die Bezirkshauptstadt. Rund 12 Kilometer hin und zurück in einer Stunde taten Körper und Seele gut. Meine Verspannungen im Rücken waren nachher wie weggeblasen. Ja, tatsächlich sitze ich derzeit viel zu viel, die Arbeiten im Haushalt und Garten sind ja auch nicht gerade kreuzschonend und meine Tai Chi und Qi Gong-Kenntnisse auszupacken und regelmäßig anzuwenden, dazu hatte ich bislang noch nicht die passende Motivation. Wobei ich aus Erfahrung genau weiß, dass dies in Zeiten wie diesen ein wesentlicher Beitrag zum allumfassenden seelischen und körperlichen Wohlbefinden wäre. Beim Abendessen feierten wir Darios Ankunft vor 3 Wochen, er bekam eine Extraportion Katzenmilch, die er weidlich genoss. Und damit stand auch schon wieder der Übergang zum nächsten Lebenstag vor der Tür. Es ist bemerkenswert wie eine große Fülle an Zeit so schnell vergehen kann. Die Piefke-Saga, Teil 4. Schon bei ihrem Erscheinen war die Episode stark umstritten, der ORF strahlte sie über Jahrzehnte bei Wiederholungen von Mitterers Werk nicht aus. Ich fand sie damals utopisch – und diesmal, drei Jahrzehnte später, fuhr sie mir durch Mark und Bein: dystopisch und nicht mehr unrealistisch, sondern durchaus vorstellbar. Freiheitsbeschränkungen, Generalstreiks, Bürgerkrieg … So oft ist mir das Lachen selten im Hals stecken geblieben, aber: Humor ist wenn man trotzdem lacht, denn Humor hilft heilen.
So ließen wir die Familie Sattmann mit ihrem in einen echten Tiroler umgewandelten Familienoberhaupt Karl-Friedrich (vulgo Sepp Unterwurzacher) zurück in Lahnenberg, das auf Müll gebaut nur noch aus Robotern und Plastiklandschaft bestand. Nur Tochter Sabine ging zurück nach Deutschland. Wie würde diese Welt denn heute aussehen? Blade Runner? 5th Element? Oder Horx‘sche Utopien? Ich schlief schlecht und musste mich selbst daran erinnern, dass Angst kein guter Ratgeber ist. Unser Jüngster borgte sich in letzter Zeit öfter eine meiner Uhren aus. Und da erinnerte ich mich, dass es in meiner Uhrenkiste auch noch meine alte Kinderuhr geben musste. Die hatte ich damals von meinem Opa (dem Vater meiner Mutter, mit dem ich – wie schon berichtet – immer Fußball spielte) zur Erstkommunion bekommen. Und tatsächlich fand ich die Fleurier Watch (Incabloc 17) in einer kleinen Schachtel in jener Kiste. Der Goldbelag war an vielen Stellen schon abgeblättert, das Uhrband fehlte. Letzteres aber ließ sich leicht beheben, hatte mein Sohn doch vor einigen Jahren, als er sich erstmals für Uhren zu interessieren begonnen hatte, eine Kinderuhr bekommen, deren Uhrband noch in Takt war. Und es passte auf Anhieb, ebenso ließ sich der Zeitmesser mit ein paar Drehungen an der Krone leicht in Gang setzen, ja der Zufall wollte es sogar, das am Datumsfeld die 31 aufschien, das Datum dieses Tages. Es ist wunderbar, wenn heutzutage Dinge aus der Vergangenheit funktionieren und wieder zum Einsatz kommen dürfen, immerhin ist diese Uhr schon fast 50 Jahre alt. Der weitere Tag verlief häuslich bzw. hausmännisch. Mit dem Jüngsten machte ich am frühen Nachmittag einen weiteren wichtigen Einkauf – noch ohne Gesichtsmasken, deren Tragen im Supermarkt, wie unser Herr BK pädagogisch dozierte, uns auf eine generelle Maskenpflicht vorbereiten soll. Die WHO zweifelt an der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme, die meisten um ihre Expertise gefragten Mediziner in Österreich befürworten sie. Jedenfalls ist es mir trotz aller Recherche nicht möglich gewesen, hier eine klare Antwort zu erhakten, auf deren Basis ich meine Entscheidung treffen könnte. Beim Rauchen hat man ja immerhin noch die Möglichkeit, ihm Freien oder den eigenen vier Wänden nachzugehen, obwohl man erwiesenermaßen auch die Passivraucher gefährdet. Im Fall C. ist hier derzeit keine Entscheidungsfreiheit gewährleistet. Und das nervt mich. Wenn ich doch bloß transparent alle Informationen bekommen würde, dann täte ich mir mit solchen von oben diktierten Maßnahmen unseres schulmeisternden Regierungschefs um vieles leichter. Aber so viel Intelligenz traut man uns Bürger*innen nicht zu. Ist für mich bei einem Bildungssystem wie unserem, bei dem man aufs Funktionieren sowie Konsumieren und nicht aufs Selbständig-Denken vorbereitet wird, wahrscheinlich auch besser. Am späten Nachmittag dann drei Saunagänge zur Erhaltung von Gesundheit und Wohlbefinden – und schon ging dieser Lebenstag, der so dystopisch begonnen hatte, doch noch mit guter Energie zu Ende. DJ Bambi Mercury made my evening. Das war eine lange Dancing-Night. Der Morgen begann – auch der Sommerzeit geschuldet – erst gegen 10 h. Erstmals nehme ich mir sehr, sehr viel Zeit, um mich mit der aktuellen Situation auseinanderzusetzen. Wir haben unseren Jungs angekündigt, dass wir sobald die Regierung die nächsten Schritte bekannt gegeben hat, ein wenig an unserem Alltag schrauben werden. Da leider nichts anderes verlautbart wurde als: „Das ist die Ruhe vor dem Sturm“ (BK Kurz) und „Maskenpflicht im Supermarkt“ (BM Anschober) tunten wir nur die Putzdienste ein wenig. Und ich blieb am Thema dran, weil mich die Vorgrangsweise des Herrn Bundeskanzlers zu nerven beginnt, ebenso wie die Hörigkeit des grünen Koalitionspartners. Haben die nicht Transparenz versprochen? Nun hört man manipulierende Propaganda, auch vom öffentliche-rechtlichen Rundfunk, den dessen Generaldirektor Alexander Wrabetz tags zuvor in einer einstündigen Pressestunde noch in den Himmel heben durfte. Ich möchte als mündiger Bürger authentische Informationen, um mir selbst ein Bild zu machen. So studierte ich also tagsüber zwischen den Alltäglichkeiten wie Kochen, Einkaufen und Putzen (es war ja der wöchentliche Putztag angebrochen) immer wieder mal im Netz und förderte Interessantes zu Tage: So etwa einen Beitrag des Philosophen Bertrand Stern, den ich im Zusammenhang mit Schule vor mittlerweile 5 Jahren kennenlernen durfte. Ich las auf dem Facebook-Profil des Ö1-Journalisten Günter Kaindlstorfer, dass die Regierung sich bis Ostermontag etwas überlegen müsse, weil es sonst krachen würde. Ganz meine – auch hier in diesem Blog publizierte – Einschätzung. Vor allem, wenn es auch andere Wege der Bewältigung der aktuellen Situation gibt, wie etwa in Schweden oder Japan. Dabei kam mir noch eine Dokumentation auf Servus-TV mit dem Titel „Sind Zweifel erlaubt?“ unter und ein Artikel im PROFIL („Freiheitsentzug und Überwachung: Dürfen die das?“), der mich zu folgendem Posting auf Facebook brachte: „Angst ist kein guter Ratgeber, sie vernebelt noch dazu das Denken. Nun aber braucht es Vernunft, Mut und Zuversicht. Daher: 1) "Freiheitsentzug und Überwachung: Dürfen wir das?" Nein, dürfen "wir" nicht. 2) "Wir müssen wieder anfangen, die Politik zu hinterfragen. Sonst wird das Virus auf allen Ebenen gewinnen." Ja, müssen wir. 3) "Für die Zeit danach bietet Finanzminister Gernot Blümel indes keine erfreuliche Perspektive an: Nach der Pandemie müsse mehrere Jahre lang gespart werden, ließ er wissen." Darf nicht kommen, ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn. 4) "Aber wir tun derzeit so, als könnten wir den Tod als solches abschaffen, wenn es uns nur gelänge, mit dieser Mikrobe aufzuräumen." Intellektuelle Einengung auf Corona in der Berichterstattung muss schleunigst aufgehoben werden, es gibt auch noch anderes im Leben.“ Abends stieß ich dann auch noch auf einen Beitrag von Thomas Mohrs, Professor an der Pädagogischen Hochschule in Linz, der mich vor einem Jahr zu den von ihm veranstalteten Tagen der Persönlichkeitsbildung für oberösterreichische LehrerInnen eingeladen hatte. Damals bot ich einen Workshop zum Thema Spielzeugfreies Spielen an, der bei den Teilnehmenden sehr gut ankam. Diesmal postete er einen Artikel mit dem Titel „Mehr Philosophieren wagen!“. Darin rechnet er mit dem Schulsystem ab. Ich lud ihn umgehend zu einem ausführlichen Telefoninterview für die nächste Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule“ ein. Er lieferte mir via E-Mail noch eine zweiten Beitrag, den er vor kurzem verfasst hatte: Der Tag klang also gesellschaftskritisch aus und ich fühlte die Motivation den Herren Kogler und Anschober und auch unserem Herrn Bundespräsidenten nochmal etwas aus der Realität des Normalsterblichen zu berichten, die ihnen offenbar völlig unbekannt zu sein scheint, und meine Forderung nach einem (vorläufig befristeten) bedingungslosen Grundeinkommen zu übermitteln. Dieses würde viele Menschen (neue Selbständige, Kurzarbeitende, Erwerbsarbeitslose) schnell und ausreichend unterstützen und den Kollateralschaden (Insolvenzen, Privatkonkurse, vernichtende Existenzen), der erst nach Ende der Krise kommen wird, bestmöglich vorbeugen. Zum Auftakt erneut nach Deutschland und Kroatien, in die Zeiten des Balkankrieges. „Der Schneegänger“, sehenswert, aber nicht unbedingt das Richtige für diesen Abend, ich halte dennoch bis zum Ende durch. Danach aber muss ich mich bewegen. Ich setze mich an mein virtuelles Mischpult und mische mir zwei Stunden lang die Hits der letzten 25 Jahre, schöpfe aus den MP3s, die ich für die Geburtstagsfeier der Grünen Rohrendorf und für meinen Jahreswechsel zusammengestellt habe, probiere den einen oder anderen Effekt und shake mit. Tut gut. Es ist nach eins als ich ins Bett zu meiner Liebsten falle.
Morgens Träume. Ich werde von einem grauhaarigen, sehr blassen Mann verfolgt, egal welche Finte ich anwende, er ist immer gleich wieder hinter mir her. Im Erwachen dünkt mich, ich wäre dem Tod begegnet, der mich – und uns alle ein Leben lang verfolgt, dem wir niemals entkommen können. Daher hat das Davonrennen weder im Traum noch in der Wirklichkeit Sinn. Besser, sich ihm stellen, im „memento mori“ existieren ohne Angst und dem eigenen Leben nichts schuldig bleiben. Dieser Gedanke bewegt mich, bin ich doch immer wieder ganz aus dem Nichts von schlechtem Gewissen geplagt. Nun scheint der Schluss naheliegend, dass es sich hier nicht um etwas Äußeres sondern etwas Inneres, mir selbst gegenüber handelt. In dieser Nacht ist uns – wie alljährlich am letzten Sonntag im März – eine Stunde gestohlen worden, die wir erst Ende Oktober wieder zurückkriegen werden. In dieser Diskussion vertrete ich eindeutig die Position, diese Umstellung ein für alle Mal bleiben zu lassen, ich bin zwar eher für Normalzeit, aber jederzeit bereit, dieses Optimum zugunsten des Beibehaltens einer Zeit zu opfern. Zum Mittagessen zaubern meine Liebste und ich Burger auf den Tisch, sie hat ein neues Rezept für vegetarische Laibchen mit Käferbohnen ausgegraben, allen mundet es hervorragend. Eigentlich möchte ich Mittagspause machen, die kurze Nacht und der Morgentraum stecken mir noch in den Gliedern, doch gilt es endlich die Doku für meine Kinderfußballltrainerausbildung und den Zaun fertigzustellen, also mache ich mich nach Kaffee und Keksen gleich an die Arbeit. Es gelingt, beides abzuschließen, damit ist der Garten katersicher, zumindest für die ersten Ausflüge. Sobald unser Klettermaxl (Kater Dario übt derzeit schon kräftig im Haus) dann den Zaun erklimmen kann, werden wir womöglich noch eine andere Lösung finden müssen, so dass er jederzeit aus dem Garten in die Freiheit und wieder zurückkehren kann. Aber bis dahin ist noch ein wenig Zeit und am kommenden Donnerstag, wenn der nächste Kälteeinbruch (mit prognostiziertem Schneefall bis in Tallagen) wieder überstanden ist, wir er seinen ersten Freigang machen dürfen. Um 16 Uhr besuchen wir wie in der Vorwoche via Livestream den Zirkus Pikard und schauen uns gemeinsam das Programm aus 2016 an, zwei Stunden gelungener Unterhaltung. Nach dem Abendessen und zum Übergang in den nächsten Lebenstag besuche ich den Club „Schwuz“ in Berlin und lausche den DJanes Trust.The.Girl, Mermaid Mudi und Marsmaedchen. #dancethelife #dontletcoronagetyoudown und meinem Leben und mir nix schuldig bleiben! Von Tirol ging‘s nach Deutschland sowie Mexico und zum heißen Thema Waffenexporte. ARD wiederholte den 2015 gesendeten 1. Teil des Filmes „Meister des Todes“, dessen Sequel am 1.4. samt anschließender Studiodiskussion ausgestrahlt wird. Starkes Thema, starke Schauspieler und der Versuch einer Lösung, die keine ist. Bin schon gespannt wie es am kommenden Mittwoch weitergeht.
Mal lange geschlafen und nicht der erste wach. Daher gab‘s Frühstück für mich und Junior hat schon den Geburtstagsplatz für den Ältesten, der an diesem Tag 16 wurde, gedeckt. Eine Mischung aus Lach- und Sportgummi, ästhetisch rundum auf einer Serviette platziert. Danach Rettungsversuch für die von mir am Vortag für den Ältesten gebackene Schokotorte. Eine Torte wie das Leben und die Tiroler Alpen. Ein Auf und ein Ab, Spalten und Risse, da und dort ein wenig angekohlt, aber mit ein paar kosmetischen Korrekturen mit dem Messer und einer Menge Staubzucker drauf, konnte ich das Schlimmste wieder gut machen. Ärgerlich, aber der CELUS und ich hatten tags zuvor eine unserer seltenen Kooperationsschwierigkeiten. Das Mittagessen heute von unserer örtlichen Pizzeria liefern lassen, köstlich, ein kleiner Rechenfehler bei der Zeche, aber wir werden nächstes Mal dafür eine Gutschrift geltend machen, sollte kein Problem sein. Mezzo Mix für die Jungs, Erinnerungen als ich Cola und Fanta inspiriert von den Urlauben in unserem Stammgasthof im Mariazellerland zu Spezi mixte. Damals sehnte ich mich, kaum abgefahren, schon wieder nach dem Landleben und der Weite und der Freiheit. Die Dreizimmerwohnung mitten im Fünften trotz ihres Komforts immer zu klein. Und nun: Landleben rund um die Uhr. Ach geht‘s mir gut! Dann: Geschenke für das Geburtstagskind. Ein Wahnsinn wie geduldig und cool das Auspacken von statten geht, die Ruhe weg. Schön, entspannend, eine Qualität, die in dieser bis vor kurzem noch bestandenen Welt keine Cent gezählt hat. Mal sehen, was dann sein wird, wenn die sogenannte Krise überwunden ist. Mittagspause diesmal mit Sonnenbad und intensiver Vitamin D3-Zufuhr. Dann der Impuls mal auf den „Stadelboden“ zu klettern, und mich nach passenden Holz für den Zaunbau umzuschauen. Ich werde fündig, und spontan geht‘s gleich mit tatkräftiger Unterstützung meines Jüngsten los. Ein paar Klippen sind zu überwinden, das richtige Werkzeug will gefunden werden, die eine oder andere kleinere Verletzung überwunden werden - ich bin eindeutig aus der Übung – aber bis um 5 sind alle Bretter montiert, nur der Abschluss nach oben ist noch offen und will bedacht werden. Danach chillen und spielen im Garten, obwohl es sich nach einem warmem Tag mit 20 Grad Celsius einzutrüben beginnt. Und gleich nach dem Abendessen nochmal auf nach Tirol: Die Piefke-Saga Teil 3; in all dem Mittererschen Humor schwingt so viel Traurigkeit mit. Eine geniale Mischung. Einfach ein Meisterwerk. Nach einem erfolgreichen aber auch erschöpfenden Online-Abend mit meinen Maturaschüler*innen noch die letzten beiden Folgen der Serie Hackerville auf ARD geschaut, dann hundemüde ins Bett.
Gleich am Morgen um 9 das nächste Online-Meeting zum Härtefallfonds für Selbständige. Die grüne Nationalratsabgeordnete Elisabeth Götze stellt sich den rund 20 Teilnehmenden und kann nur eine erste Zusage für eine Einmalzahlung in der Höhe von 500-1000,- Euro machen, die allerdings an bestimmte Kriterien gebunden, also nicht bedingungslos ist. Die ÖVP ist ihren Aussagen zu Folge hier sehr, sehr zurückhaltend.Ich werde wohl ein weiteres E-Mail an Sozialminister Anschober und Vizekanzler Kogler verfassen müssen, die ja – laut ihrem Mitarbeiter – keinen zurücklassen wollten. Die Ergebnisse, die ich jetzt erfahren habe, sprechen eine deutlich andere Sprache. Über weitere Maßnahmen wird bis 16.4. weiterverhandelt. Auch gibt es noch keine Neuigkeiten bzgl. der für heute angekündigten Evaluation der Wirksamkeit der Ausgangsbeschränkungen und Schul- sowie Betriebsschließungen, sie wurde auf Montag verschoben, eher kein gutes Zeichen. Zudem wird auf orf.at eine weitere Grafik präsentiert, die uns zeigt, dass es nur dann zu einer Bewältigung der Krise kommen wird, wenn wir die Maßnahmen noch einige Monate weiterführen bzw. maximal die Arbeitsstätten nach Ostern wieder öffnen. Sollten jedoch ab 4. Mai die Schulen zusätzlich geöffnet werden, so geht die Kurve der Infektionen wieder exponentiell nach oben. Der Grund dafür wird auch im Text nicht erklärt, für mich ist diese Modellrechnung mit den Infos, die ich habe, nicht nachvollziehbar. Werde mal nachforschen. Am Montag werden wir vielleicht mehr wissen. Knapp vor dem Aufbruch zum Familieneinkaufstag im Gewerbepark formiert sich Widerstand. Sohn Nr. 2, der am Tag davor sogar dern von ihm in einem Zornausbruch beschädigten Türstock repariert hat, möchte in seinem Zimmer bleiben. Mir gelingt es, einen tragfähigen Kompromiss vorzuschlagen: er darf nicht im Zimmer bleiben, sondern muss während unseres Einkaufs seine Runde draußen drehen, frische Luft tut ihm sicher gut, noch dazu wo heute so schön die Sonne scheint. Nun pocht unsere Jüngster auch auf eine Ausnahmeregelung, die wir wie folgt festlegen: An jedem Einkaufstag hat einer aus der Familie das Recht auf eine Outdoor-Runde statt mit zum Einkauf zu gehen. Wir haben zwar mit den Verhandlungen eine knappe halbe Stunde Zeit verloren, aber immerhin ist die Zufriedenheit wieder hergestellt. Meine Liebste kocht mittags ihre köstliche Bolognese, die wir mit Vollkornspirelli schmausen. In der Mittagspause lese ich einen STANDARD-Beitrag über Edward Snowdens Gedanken zu geplanten oder bereits am Laufen befindlichen Überwachungsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie: "Regierungen mit Überwachungsinstrumenten würden dazu tendieren, neue Gefahren als Begründung für eine weitere Verwendung zu nennen – etwa terroristische Gruppierungen. 'Sie wissen schon, was du im Netz machst. Sie wissen, ob sich dein Handy bewegt. Sie wissen bald vielleicht, wie unser Herzschlag und Puls ist. Was passiert, wenn sie diese Informationen mischen und auch noch künstliche Intelligenz nutzen?', fragt Snowden offen. Gerade die Verwendung von künstlicher Intelligenz in Kombination mit Überwachung macht dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Sorgen." Nach der Mittagspause steht eine Zirkusvorführung am Programm, die unser Jüngster in seinem Zimmer für uns vorbereitet hat, das zwanzigminütige Programm hat echt Spaß gemacht. Danach eine Sauna und nach dem Abendessen geht es ab nach Lahneberg in Tirol. Die Piefke-Saga, Teil 2 ist angesagt. Die neuen Lebenstage brechen derzeit noch immer erst nach Sonnenuntergang an. Davor hatte ich die Idee – inspiriert von den kritischen Berichten über das Corona-Sperrgebiet Tirol – wieder einmal einen Familien-Filmabend zu veranstalten. Wir hatten zwar nichts mehr zu knabbern zu hause, aber unser Jüngster teilte die noch vorhandene Schokolade sowie die Schoko-Doppelkekse für alle auf. Sohn Nr. 2 (der Mittlere) verabschiedete sich nach dem Abendessen sofort in die Dusche und danach in sein Zimmer; er hatte keine Lust auf Felix Mitterers Piefke-Saga Teil 1. Die anderen vier schon. Und wir hatten unseren Spaß mit einem tollen Plot und einem nicht minder tollen Ensemble. Und alle bekommen sie ihr Fett ab in ihrem Extremismus, in ihrer Scheinheiligkeit, in ihrer Profitgier bzw. Anerkennungssucht um jeden Preis. Ein feiner Fast-Ganze-Familie-Abend.
Danach beschäftigte ich mich noch mit dem Videokonferenz-Tool ZOOM, mit dem ich von nun an meine Online-Learning-Angebote begleiten will. Ich probierte gleich mal die eine oder andere Probesession, fand die Tools übersichtlich, einfach und für meine Verhältnisse sehr brauchbar. Der Morgen startete mit dem Einheizen des Ofens und mit dem Zustellen der Suppe. Torstai. Donnerstag. Zeit mal wieder einer finnischen Tradition zu Tribut zu zollen und Erbsensuppe und Pfannkuchen zu kochen. Erstere braucht, wenn sie richtig sämig werden soll, Zeit. Daher soll sie ihre Zeit bekommen. Nach dem Frühstück eine Videokonferenz der Grünen Wirtschaft, auf die meine Frau und ich von einer lieben Freundin aufmerksam gemacht worden waren, im Hinblick auf die von der Regierung geplanten finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Einpersonenunternehmen. Bloß: man konnte mir noch keine konkreten Aktionen nennen, da die Verhandlungen noch im Gange waren und deren Ergebnis erst in einer Pressekonferenz am frühen Nachmittag präsentiert werden sollten. Jedenfalls versuchte der Landessprecher der Grünen Wirtschaft gute Stimmung zu verbreiten und uns zu versichern, dass in einem ersten Schritt Geld ganz unbürokratisch fließen solle. Ein paar Sager in der Konferenz blieben bei mir hängen, so etwa ein Zitat, das aus Verhandlerkreisen kolportiert wurde und so lautete: „Wer es nicht schafft, 14 Tage ohne Einkommen über die Runden zu kommen, der war vor der Krise schon ein Problemfall.“ Oder jene Aussage: „Es soll a jeder schnell a Geld kriegen, a Taschengeld mit dem ma dann ab Montag spielen kann.“ Von welchem Planeten stammen diese Menschen? Hier wird jedenfalls die Situation der Betroffenen nicht richtig wahrgenommen, um es mal freundlich zu sagen. Man vertröstete uns auf den nächsten Morgen und lud zu einer weiteren Videokonferenz. Abends dann kam die Hiobsbotschaft meiner Steuerberaterin, die zwar Unterstützung beim Antrag versprach, ihre Ausführungen hinsichtlich der Durchführungsbestimmungen sprachen eine andere Sprache: zum einen fließt das Geld nicht bürokratielos und ohne Bedingungen, zum anderen sind die Bedingungen so gestaltet, dass ich als sogenannter „Hybrid-Selbständiger“, der eben auch Geld aus freien Dienstverträgen verdient, eher nicht zum Zug kommen werde. Daher auch mein Vorschlag in der Vorwoche an Anschober und Kogler, doch ein befristetes bedingungsloses Grundeinkommen für diese Notsituation auszuzahlen. Noch ein Detail am Rande: Für die Selbständigen wird 1 Milliarde Euro in die Hand genommen, für den Rest der sogenannten Wirtschaft 38 Milliarden. Da siehste ganz klar, wer systemrelevant ist und wer nicht. Ein Trauerspiel. Danach ging‘s ans Fertigstellen der Erbsensuppe und ans Zubereiten des Pfannkuchens. Im Küchenofen wird der immer ganz besonders lecker, so auch diesmal. Es gab ein herrliches Mittagessen und nach einem kurzen Powernap machte ich mich an die Vorbereitung meines heutigen Online-Kursabends für den von mir geleiteten Vorbereitungslehrgang für die Berufsreifeprüfung Deutsch, diesmal via Zoom und mit einem dichten Programm (Zusammenfassung, Konjunktiv 1, indirekte Rede, Leserbrief). Dazwischen bin ich noch über zwei Beiträge zur aktuellen Situation gestolpert, die ich hier gerne zur Lesen mitgeben möchte. Im ersten meldet sich der deutsche Philosoph Markus Gabriel zu Wort und spricht von der Notwendigkeit einer metaphysischen Pandemie: „Nach der virologischen Pandemie brauchen wir eine metaphysische Pan-Demie, eine Versammlung aller Völker unter dem uns alle umfassenden Dach des Himmels, dem wir niemals entrinnen werden. Wir sind und bleiben auf der Erde, wir sind und bleiben sterblich und fragil. Werden wir also Erdenbürger, Kosmopoliten einer metaphysischen Pandemie. Alles andere wird uns vernichten und kein Virologe wird uns retten.“ Im anderen beschreibt der Journalist Christian Stichler in der Wochenzeitung „Die Zeit“ den eigenwilligen Weg der Schweden: „Doch in Schweden laufen die Liftanlagen weiter. Schließlich steht Ostern an. Da ist für viele der Urlaub in den Bergen fester Bestandteil. Nach den ersten Coronafällen im Wintersportort Åre stand nun aber auch ein vorzeitiges Saisonende in Schweden zur Diskussion. Aber so weit wollte die Gesundheitsbehörde dann doch nicht gehen. Gondelbahnen werden geschlossen. Die Skifahrer sollen beim Anstehen am Lift Abstand halten. In Restaurants und Hütten darf nur am Tisch gegessen oder getrunken werden. Aber ansonsten könne der Betrieb über Ostern weiterlaufen. Die Schweden gehen also weiter ihren eigenen Weg.“ We‘ll see! Ich schreibe an Route 55, dazu höre ich den Livestream aus dem Berliner Club Else X Wilde Renate. Bis 22 h habe ich Zeit, dann möchte ich in die Grimme-Preis-gekrönte Serie Hackerville reinschauen. Ich bleibe alle drei Folgen live dran. Das Tempo ist gemächlich, dadurch ist mehr Tiefgang möglich. Die Story nichts Neues, aber es ist eben nicht nur eine Geschichte, die erzählt wird. Rumänien und Deutschland, da sind noch Rechnungen offen. Die Schauplätze gut gewählt, stimmungsvoll. Alles in einer Welt, in der persönliche Begegnung noch offiziell ermöglicht war. Nun ist sie zwar auch möglich, aber nur aus der Distanz des Anstands zu anderen, mit Hilfe virtueller Medien, zwischen denen, die unter einem Dach leben und illegal. Der Innenminister ließ uns ja vor einigen Tagen wissen, dass bei Verstößen gegen die derzeit geltenden Ausgangsbeschränkungen hart durchgegriffen und gestraft werde („Ein paar tausend Euro“). Strafandrohungen sind aus meiner Erfahrung meist das letzte Mittel, mit der die eigene Ohnmacht bewältigt werden soll. Hat die Todesstrafe jemals einen Mord verhindert? Wir erleben in diesen krisenhaften Zeiten auch die Bankrotterklärung einer Gesellschaft, die un-gebildet, ge- und verführt nicht weiß, was sinn-voll und not-wendig ist. Daher muss hier mit martialischen Mitteln das Nötige erzwungen werden, was zum Scheitern verurteilt sein wird. Wenn ein Mensch sich nicht mehr spürt, hat er kein Gespür mehr für das, was angezeigt ist. Was hat unser sogenanntes „Bildungssystem“ nur aus uns für Menschen gemacht?
Wo ist nur unser Gewissen, unsere Seins-Gewissheit geblieben? Viktor Frankl hat darüber wie folgt sinniert: „In Euch wohnt ein ‚Sinn-Organ’ namens Gewissen! Säubert es vom Gestrüpp sämtlicher Fremdeinfl&u! uml;sse und Indoktrinationen und lauscht ihm in Ruhe, Einsamkeit und absoluter Ehrlichkeit! Es wird Euch, einem inneren Navigationsgerät gleich, stets die Richtung weisen. Die eine, die gerade jetzt und exakt für Euch stimmig ist. Es lässt Euch nicht im Stich. Folgt Eurem Gewissen und blickt mutig in die Zukunft! Die Welt ist nicht heil, aber heil-bar. Sie braucht Euch, sie wartet auf Euch und Euer Engagement. Sie ist die Spielwiese und zugleich der Prüfstein des menschlichen Geistes ...“ Ich schlafe unruhig und traumreich. Der Tag danach bringt viel Alltägliches, aber das ist auch ein gutes Zeichen für den Einzug der „Normalität“ in einer Zeit der Turbulenzen und Unsicherheit. Da die Zukunft völlig offen ist, haben wir grob gesagt zwei Möglichkeiten: die Angst und die Verzweiflung oder das bedingungslose Leben im Augenblick, aus dem die neue Zukunft entsteht, der wir uns erst gewiss werden, wenn sie sich im gegenwärtigen Moment verwirklicht. Eine dieser Alltäglichkeiten sind SMS-Nachrichten vom Vater unserer beiden Ältesten, die meine Liebste regelmäßig erhält. Tenor: Er macht sich Sorgen, ob es seinen Söhnen gut gehe. Und das, obwohl er doch täglich mit Ihnen via Chat und Telefon in Kontakt ist. Nun kenne ich Sorgen dieser Art sehr gut, ich musste sie viele Jahrzehnte bis ins Erwachsenendasein hinein erleben. Sie machen unfrei. Sie bewirken Abhängigkeit und das Gegenteil von dem, was möglicherweise sogar gut gemeint ist. Wir können vor allem den Ältesten aus dieser Verstrickung nicht befreien, er hat seit Jahr und Tag therapeutische Unterstützung (wie der Jüngere übrigens auch), wir halten regelmäßig begleitete Familienkonferenzen und dennoch wirkt diese „große Sorge“ massiv in das Leben der beiden und damit auch in unseren Familienalltag hinein. Der Befreiungswunsch der beiden ist sonnenklar: Auf zum Vater nach Berlin. Dann muss er sich keine Sorgen mehr machen. Und: Die beiden wissen, dass wir uns solche Sorgen wie ihr Vater um sie nicht machen würden. Doch Berlin ist nicht die Lösung. Denn Berlin gibt keine Garantie, dass die väterliche „Sorge“ dann ein Ende hätte. Ich schreibe an Route 55, Tag 28 und 29. Dieweil turnt Kater Dario am Schreibtisch, legt sich dann auf meine Unterlagen, macht sich an meinem Laptop zu schaffen, es gelingt ihm, durch eine flinke Tastenkombination mit seinen Tasten mein Virenprogramm dazu zu bringen, mir vorzuschlagen, Dateien für immer zu schreddern. Nun ist es aber genug. Wusste bislang gar nicht, dass mein Virenschutz auch das darf hat, was andere zur mechanischen Vernichtung bringen müssen und danach blöd ausschauen. Nun also ist es aber genug. Dario wird von der Tastatur verbannt, er erntet ein paar ernste Worte. Worauf er sich auf erneut auf meine Unterlagen legt und dabei binnen Sekunden tief und fest einschläft. Ich ziehe ihm noch zwei Seiten unter seinem Bauch weg, da ich sie zum Weiterschreiben brauche, er lässt sich davon nicht stören. Den Nachmittag über hat er schon mit all seinem Lieblingszeugs ausgiebig gespielt. Dazu zählen zwei Wollknäuel (Nr.1), ein Weinkorken (Nr.2) und zwei verbeulte Tischtennisbälle (weit abgeschlagen Nr.3 in seiner persönlichen Hitliste). Sein Namensvetter aus dem Roman Donna und Dario von Barbara Frischmuth hält es mit Badewannenstöpsel, die ihm auch zweimal zum Verhängnis werden: am Anfang fällt er deswegen aus dem Fenster (wird aber von der Krähe Flitzschwinge gerettet und landet mit ihr auf einem alten Sofa auf einem gerade vorbeifahrenden Sperrmüllwagen), ein wenig später fällt er deswegen zwei Gaunern in die Hände, die mit ihm das große Geld machen wollen. In unserem Haushalt hätten wir nur einen echten Gummistöpsel zu bieten, das ist jener bei der Küchenabwasch. Daran ist unser Dario aber bereits mehrmals auf seinen Inspektionsgängen durch die und auf der Küche achtlos vorbeigegangen. Ist offenbar nicht so seins, vielleicht auch noch nicht.
Ich schreibe also weiter und veröffentliche die beiden Blogbeiträge. Danach mache ich mich auf die Suche nach der weiteren Gestaltung meines Abends und stoße beim Durchforsten der Mediatheken von ZDF, ARD und ARTE auf die tolle Initiative „United We Stream“. Unter diesem Titel wird seit 18.3. täglich ab 19 Uhr für ca. 5 Stunden aus jeweils einem anderen Berliner Club ein Musikprogramm, das von DJs gestaltet wird, live übertragen. Ich geb‘ mir zwei Stunden im Ipse-Club mit den DJanes Tereza und Sarah Farina und tanze auf dem Wohnzimmerteppich, zum Teil mit Kater Dario am Arm, dem das Schwingen mit mir sehr behagt. Weder hätte ich jemals zu dieser Art von Musik getanzt, noch wäre ich jemals in diesem Berliner Club gelandet. Corona sei Dank! (Während ich diesen Beitrag hier schreibe höre ich grade im Hintergrund das heutige Musikprogramm aus dem Club Else X Wilde Renate, derzeit legt DJ Roman Flügel auf. Auch nicht so wirklich meine Musik, aber ich finde diese Initiative wirklich gut und wichtig – und freue mich über diese virtuellen Ausflüge und Begegnungen mit und in der Berliner Clubszene.) Ich schlafe unruhig, aber womöglich war die Musik doch zu „stressig“. Morgens weckt mich Dario, weil er zu uns ins Bett springt, um unsere Decke zu attackieren. Ja, meine Liebste und ich stecken seit zehn Jahren auch im wahrsten Sinn des Wortes – zumindest nachts - unter einer Decke. Ich stehe auf und bereite mich auf den Tag vor. Das heißt, dass ich neben der Zubereitung meines Frühstücks und des Morgenkaffees für meine Frau, den ich ihr gelegentlich ans Bett bringe, schon mal den Küchenherd anheize, um die Minestrone fürs Mittagessen vorzubereiten, so dass wir am Vormittag getrost und in aller Ruhe unseren wöchentlichen Einkauf im Großmarkt machen können. Bevor wir losfahren, erreicht mich noch ein Kommentar einer lieben Freundin zu einem meiner letzten Blogbeiträge, die von der Vorsehung benachteiligt gerade jenen Namen trägt, den dieses Sturmtief im deutschsprachigen Raum erhalten hat, der mit dem Verschwinden der unsere Mizzi-Katz verbunden ist. Sie muss getröstet werden. Und es muss ihr gesagt werden, was dieser Schicksalsschlag auch Gutes gebracht hat: die Idee zur Geschichte von der Glückskatze (siehe weiter unten) und einen Platz für den im Weinviertel ausgesetzten schwarzen Kater, der vor knapp zwei Wochen bei uns Wohnung im Waldviertel genommen hat. Beim Großmarkt empfängt uns ein großes Schild, geteilt in einen grünen und einen roten Bereich. Im grünen zeigt uns ein Piktogramm einen Einkaufswagen und einen Menschen, der ihn führt („Richtig“), im roten („Falsch“) werden uns zwei Erwachsene, wovon einer den Einkaufswagen schiebt, und zwei Kinder in ihrer Mitte vor Augen geführt. Darunter ist zu lesen: Ein Einkauf ist kein Familienausflug. Ich krieg gleich einmal mein schlechtes Gewissen, fasse dann aber den Mut, mich davon nicht einschüchtern zu lassen. Erstens sind wir fünf (schwaches Argument), zweitens sind wir eine Patchworkfamilie aus zwei Teilen (nicht minder schlechtes Argument) und drittens brauchen wir zu fünft bei guter Arbeitsteilung sicher nicht mehr als zehn Minuten, um alle Einkäufe im Wagen zu haben (ganz starkes Argument, da uns ja von Kontakten mit anderen von über 15 Minuten dringend abgeraten wurde). Wir kommen nach einer Viertelstunde heil raus – ohne des Marktes verwiesen zu werden und düsen auf unseren Rädern direkt nachhause, wo schon die Minestrone und ein hungriger, kleiner schwarzer Kater auf uns warten. Mittagspause im Liegestuhl in der Sonne. Danach verfasse ich den Anfang meiner Erzählung von der Glückskatze. Hier ein erster Einblick: Die Glückskatze für Maria Mizzi-Kaze, für alle, die Sabine heißen und nichts dafür können, dass ein Sturmtief nach ihnen benannt ist für all jene, deren Katze eines Tages nicht mehr heimgekommen ist Eines Tage war sie plötzlich da, eines anderen Tages war sie plötzlich wieder weg. Sie kam und ging. Sie kam und ging, so wie das echte, wilde, freie Katzen tun, die von den Menschen nicht zu falschen, handzahmen und versklavten Stubenhockern gemacht worden sind. Ich erinnere mich noch gut, als mir Timi zum ersten Mal von ihr erzählte. Er war damals von seinen Eltern angehalten worden, bei mir vor Beginn des neuen Schuljahres täglich eine Stunde Mathematiknachhilfe zu nehmen. Nun war Mathematik nicht gerade mein Lieblingsfach – und ich hatte es auch in meiner Zeit als Lehrer niemals unterrichtet – aber das Grundschulwissen bereitete mir keine Probleme. Auch Timi hatte damit eigentlich kaum große Schwierigkeiten, er beherrschte das kleine Einmaleins im Schlaf. Auch Addieren und Subtrahieren konnte er im Kopf, bloß das Dividieren war tatsächlich nicht seine große Stärke. Daran also arbeiteten wir hauptsächlich. Und noch etwas beschäftigte uns während unserer Trainingsstunden: Das war die Situation, in der Timi und nicht nur er, sondern seine ganze Familie steckten. Es gab bei ihnen nämlich jede Menge Zank und Hader und kein Tag verging, an dem nicht irgendjemand, meistens die Erwachsenen oder die älteren Brüder meines Schützlings, einander laut anschrien. Der Eine also schrie, der andere schrie dann nicht weniger laut, meist sogar noch lauter zurück. Das ging wie beim Ping-Pong einige Male hin und her, bis dann auch noch die Türen knallten. Von da an aber war immer gespenstische Ruhe. Und ich kann die Erzählungen von Timi gewissenhaft bezeugen, lebe ich doch in direkter Nachbarschaft zu seiner Familie, den Winters, Garten an Garten, Haus an Haus. Nun kam also Timi an jenem Augusttag im vorvorigen Jahr ganz aufgeregt zu unserer Stunde. Er rannte ohne zu klingeln oder zu klopfen, wie es sonst seine Art war, laut meinen Namen rufend durch die unversperrte Haustüre. Ich saß gerade noch bei meinem Nachmittagskaffee, weil ich mit ihm erst zehn Minuten später gerechnet hatte, ließ aber, als ich ihn so schreien hörte, alles liegen und stehen und ging ihm entgegen. Als wir am Hintereingang meines Hauses, der in den Garten führt, zusammentrafen, erschreckten wir uns beide sehr. Nach dieser kurzen Schrecksekunde brach es aus Timi heraus: „Mikko, Mikko (so nannte er mich liebevoll nach seinem schon verstorbenen Großvater), wir haben eine Katze!“ „Das ist ja wunderbar“, erwiderte ich und danach umarmte er mich und hielt mich eine ganze Zeit lang fest. „Sie ist eine Glückskatze, weißt du“, sagte er, „sie hat nämlich ein dreifarbiges Fell. Am Kopf ist weiß und braun und schwarz, da erinnert sie mich an den Gugelhupf von Oma, am Bauch ist sie ganz weiß bis auf einen kleinen hellbraunen Fleck, am Rücken ist die hauptsächlich braun und ihr Schwanz ist getigert.“ „Das ist ja wunderbar“, wiederholte ich, schloss kurz die Augen, um mir die soeben beschriebene Katze vorzustellen und fragte den Jungen, wie das denn nun gekommen sei. Mitten im Schreiben werde ich von einem Anruf einer Mitarbeiterin der SVS (Sozialversicherung der Selbständigen) unterbrochen, die mit mir – aufgrund meines E-Mails aus der Vorwoche – die weitere Vorgangsweise bezüglich meiner Pflichtversicherung bespricht. Wir einigen uns auf eine Herabsetzung meines Beitrags auf die Mindestbeitragsgrundlage und eine zinsenlose Beitragsstundung bis Ende Juni dieses Jahres. Das ist aus meiner Sicht die absolute Notlösung, denn die bis dahin nicht bezahlten Beiträge hängen mir ja nachher dann im G‘nack. Vielleicht gelingt es mir ja, zumindest mal den monatlichen Mindestbeitrag einzuzahlen. Denn die heute und in der nächsten Zeit verlorenen Geschäfte sind auch danach nicht wieder aufzuholen. Und angesichts von weit mehr als 100.000 neuen Arbeitslosen in den letzten 8 Tagen und vielen einkommenslosen Einpersonenunternehmer*innen und Selbständigen mit Klein- bzw. Kleinstbetrieben wird sich die Regierung dann doch eine Art Grundauskommen für die Betroffenen überlegen müssen, wie ich es in meinem Schreiben an Vizekanzler Kogler und Sozialminister Anschober vorgeschlagen habe. Am Nachmittagsprogramm stehen dann noch eine Partie Boccia und drei Tischtennismatches auf zwei Gewinnsätze mit meinem Jüngsten im noch sonnigen Garten, ich ziehe in gewohnter Weise den Kürzeren, was mir aber jede Menge Spaß bereitet, und drei Saunagänge mit meiner Liebsten und dem Junior. Beim Relaxen danach stoße ich auf einen Facebook-Beitrag, den zwei Freunde gepostet haben. Er verlinkt zu einem Interview mit dem Historiker René Schlott auf WDR 5, der sich Gedanken zur Gefährdung der Demokratie in Zeiten von Corona macht. Besorgt ist er vor allem darüber, dass die strengen Ausgangsbeschränkungen als alternativlos dargestellt werden, Verstöße dagegen unter Strafe gestellt werden, PolitikerInnen sich bloß sehr einseitig beraten lassen (nämlich von Virologen und nicht auch von Soziolog*innen und Psycholog*innen) und das Volk willfährig und ohne Diskussion den geforderten Maßnahmen entspricht (in Deutschland stimmen diesen 80 % der Befragten zu). Auch in Österreich versucht Bundeskanzler Kurz das Volk erwartungsgemäß auf eine lange Phase des Nicht-Normalzustandes einzustimmen – und meiner weiteren Erwartung nach ist das nur ein Schritt auf dem Weg zur Erklärung des Notstands zum Normalzustand. Geteilt wird die Gesellschaft – wie Historiker Schlott anmerkt – in systemrelevante Bereiche und Menschen und solche, die entbehrlich sind. Entbehrlich sind demnach Kunst, Kultur, Bildung, unentbehrlich der Konsum. Das Maßnahmenpaket soll vor allem die Wirtschaft stärken, von Menschen ist erst in zweiter Linie die Rede. Ich postete den WDR-Beitrag mit folgenden Worten auf Facebook: „Ein wichtiger Beitrag in bewegten Zeiten. Die Entmündigung des Einzelnen kann á la longue nicht im Sinne einer gesunden Gesellschaft und eines gesunden Menschen sein. Vielmehr geht es aus meiner Sicht darum, mündige Menschen zu ‚bilden‘, die in Notsitautionen die angemessenen Entscheidungen treffen - für sich selbst und das Wohl der Gemeinschaft. Eine lohnende Aufgabe, aber natürlich komplexer und komplizierter als einem überaus starken Führer zu folgen.“ Eine weitere brennende Frage stellt sich für mich seit der heutigen Pressekonferenz von Bundeskanzler Kurz, der wieder von Vizekanzler Kogler, Gesundheits- und Sozialminister Anschober und Innenminister Nehammer flankiert wurde, diesmal aber ohne Verteidigungsministerin Danner auftrat (die vor kurzem für Mai die Einberufung der Miliz angekündigt hatte): Was tut die Regierung, wenn das für kommenden Freitag angekündigte „valide Datenmaterial“ die Wirksamkeit der Maßnahmen in Zweifel zieht? Noch ein Schäuferl nachlegen und Ausgangssperren verhängen? Was tut das Volk, wenn es diese Zahlen erfährt? Kuschen oder Aufbegehren? Und: Was tut die Regierung, wenn aufbegehrt wird? Der Mittlere bockt – und das hält den ganzen Tag an. Die Türen fliegen, der Holztürstock in unserem alten Haus bezahlt den Zorn mit einem Sprung. Da heißt es Ruhe bewahren trotz dieser und vieler weiterer Provokationen. Ich denke, meine Liebste und ich haben es trotz so mancher heißen Szene gut gemanagt. Was wir nicht geschafft haben, ihn zu Ruhe und Vernunft zu bringen. Aber hier heißt es aus Erfahrung Zeit vergehen zu lassen. Immerhin hat er dann doch bis zum Abend seine Putzaufgaben erledigt.
Denn an diesem Tag fand der samstäglich, in dieser Woche aber um zwei Tage verschobene Familienputztag statt. Wir schrubbten, was das Zeug hielt. Ich kümmerte mich insbesondere um den CELUS-Küchenherd, den ich zu altem Glanz verhalf, ebenso wurde mein rotes, schon die Jahre gekommenes Ledersofa mit bestem griechischen Olivenöl eingerieben. Zu Mittag eine schnelle „Carbonara a la Mafia“ aus Janosch‘s Tiger- und Bärkochbuch, dann trotz der Kälte ab in die Sonne und bevor der Putztag weiterging – vor allem das Zimmer des Jüngsten musste auf Vordermann gebracht werden – noch eine in beiden Fällen erfolgreiche Recherche wegen eines Ersatzhandys für meine Liebste (natürlich ein NOKIA) und eines neuen Ofenrohrs für unsere Zeltsauna. Wir muten unserem finnischen Savotta-Saunazelt ja extremes zu, ist es doch für einen mobilen Einsatz gedacht und nicht so wie bei uns für eine Daueraufstellung im Garten – und das seit mehr als 18 Monaten, mit Ausnahme einiger Orkantage zu Beginn dieses Jahres. Diese Anforderung (ja eigentlich Überforderung) wirkt sich natürlich auf das Material aus. Den neuen Schornstein werde ich jedenfalls vor seinem Einsatz entsprechend lackieren, so dass die Korrosion ihm nicht wieder so schnell und so intensiv zusetzen kann. Ab halb fünf dann chillen am strahlenden Sofa mit Dario und dem Jüngsten, wir spielen Uno, Dario liegt in der Hängematte (das ist meine weiße Sofadecke, die sich mein Junior über die Beine legt, die er am Sofatisch auflegt, dann kommt Dario hinein, die Beine werden leicht gespreizt und die Decke rutscht mit Darion zwischen den Beinen nach unten und bildet eine herrliche Kuschelhöhle für den Kater). Wir kommen auf das Thema „Vollpfosten“ zu sprechen und ich erinnere mich an die Heute-Show und deren alljährliche Vergabe der Goldenen Vollpfosten, wir finden auf Youtube einen Beitrag vom Ende des Vorjahres mit der Vergabe eines solchen Prunkstücks an H.C Strache, der Schmäh ist derb, nun habe ich mich halt schon mal drauf eingelassen, also muss ich mit interessiertem Sohnemann an meiner Seite durch – und er, mit seinen achteinhalb Jahren lacht mit. Auch dort, wo mir nicht danach zu Mute ist. Und dann gibt‘s Käsetoast a la Liebste mit Preiselbeeren. So darf ein Tag zu Ende gehen. Die kleinen oder größeren Provokationen unseres Mittleren nehmen wir dann noch mit links. Ich nehme mir Zeit, die Impulse meiner Tochter zu studieren und wirken zu lassen. Es sind ganz wunderbare Gedaken dabei und es durchströmt mich eine Ruhe, die ich schon lange nicht mehr verspürt habe. Neben der Ruhe erfahre ich auch Gelassenheit und Zuversicht. Ein wunderbarer Triplepack – um es im Fußballjargon auszudrücken.
Die Sätze, die mich inspiriert haben, sind: Gelassenheit in allen Lebenslagen, egal wie schwierig sie auch sein mögen. Stärkung unserer Intuition, wir sollen uns nicht nur auf unseren Intellekt verlassen. Mein schwerer Kopf an einem der vergangenen Abende fällt mir ein. Auch die bekannte Weisheiten „Viel denken macht Kopfweh“ oder „Mach dir doch keinen Kopf“ oder „Mit dem Kopf durch die Wand“. Und dann auch mein intuitives Wesen, das mir als Kind schnell aberzogen wurde – und das ich als Erwachsener so oft schon wiederentdeckt und „erfolgreich“ eingesetzt habe. Aber im Chaos der Gedankenkrise zerstören die Zweifel und die ihnen folgende Schwarzmalerei jegliches Bauchgefühl. Siegen bedeutet nicht, andere zu besiegen oder in die Knie zu zwingen. Es kann bedeuten, unangenehme Eigenschaften in uns besiegt und überwunden zu haben. Möglicherweise haben wir jahrelang an einem Problem gearbeitet und trotz vieler Rückschläge unser Ziel nun erreicht. Gerade jetzt, denke ich. Gerade in dieser bzw. durch diese Herausforderung(en). Es ist manchmal erforderlich, abseits gewohnter oder gesellschaftlicher Normen Entscheidungen zu treffen, die unkonventionell sind. Mut ist auch erforderlich, um Entscheidungen zu fällen, bei denen der Ausgang einer Situation nicht vorhersehbar ist. Geduld und Beharrlichkeit zu erlernen ist eine der größten Lernaufgaben, die uns vom Leben gestellt werden. Meine unkonventionellen Entscheidungen habe ich nie bereut. Ich habe zwar nach diesen Entscheidungen nicht immer den richtigen Weg eingeschlagen, die Richtung hat aber immer gestimmt und die Umwege waren lehrreich. Und: Ungeduld und Aufgeben waren oft die Begleiter auf diesen Umwegen, was mehr geschadet als genutzt hat. Gnade ist ein Geschenk, das wir uns nicht erarbeiten oder verdienen können. In Situationen, in denen alles zum Stillstand gekommen ist, in denen alles hoffnungslos und festgefahren scheint, kann allein die Gnade uns weiterhelfen. Manchmal ist es Gnade, eine bestimmte Erkenntnis zu erlangen oder eine tiefgreifende Veränderung zu erfahren. Mit dem Begriff Gnade ringe ich ein Leben lang, auf etwas außerhalb meines Wollens angewiesen zu sein, ist ein No-Go. Geben und nehmen, ja. Aber bekommen? Geschenkt bekommen? Gratis, ganz ohne Leistung? Und aus meiner röm.-kath. Sozialisation: Was erwartet Gott von mir als Gegenleistung? Doch habe ich nicht gerade eben diese „gnadenreiche“ Erfahrung einer wesentlichen Selbsterkenntnis gemacht? Begnadet vom Leben. Begnadigt … Ein Begnadeter – so wie jeder Mensch – mit Talenten, Begabungen, Fähigkeiten, einem einzigartigen Charakter, mir innewohnendem Sinn. Innere Weisheit erlangen. Dieses Geschenk wahrnehmen, daran zu glauben, es besser zu nutzen. Plötzlich Lösungsmöglichkeiten im Kopf haben, die uns vorher nicht im Traum eingefallen wären oder wir auf einmal zukünftige Situationen wahrnehmen, die sich im Nachhinein als richtig herausstellen. Wenn ich die innere Weisheit angeschlossen bin, geht vieles im Leben leichter. Gute Schlussfolgerung. Guter Arbeitsauftrag. Ich werde ihm folgen. Beschwingt von der Leichtigkeit meines plötzlichen Selbstvertrauens wage ich mich noch nach Berlin. In einem gut gemachten „Tel-Aviv-Krimi“ aus 2016 erlebe ich das Leben in seiner ganzen Vielschichtigkeit und seinem ganzen Potential. Ich gehe beruhigt ins Bett. Sonntagvormittag. Es ist weiterhin eiskalt, aber die Sonne scheint bei den Fenstern herein und ich mache mich voller Mut an die Abschlussarbeiten für die Steuer. Zu Mittag Hot Dogs nach Art des Hauses, zubereitet von meiner Liebsten – und auch Dario isst mit. Und nach der verkürzten Mittagspause eine feine Sauna und danach geht‘s via Facebook zum Livestream des Circus Pikard, gegeben wird eine alte Vorstellung aus 2015, die sich sehen lassen kann. Die Clownerie von Baguti ist sehr unterhaltsam, wir müssen jede Menge lachen, und auch die Jonglage von Zirkusdirektor Alexander Schneller beeindruckend. Den Zirkus haben wir zuletzt in St. Pölten und Krems live besucht. Ich habe ihn in meiner Zeit in Baden zum ersten Mal kennen gelernt – und war begeistert. Ein kleiner Familienzirkus mit einem großen Programm, das sich seit nicht mehr Mama Schneller die „Peitsche“ schwingt ein wenig in Richtung Revue geändert hat. Und auch Schwiegersohn Balasz Guti (jetzt eben Baguti) ist nicht mehr der Akrobat an Strapaten und Tüchern. Und das schöne dabei: Am kommenden Sonntag steht der nächste kostenlose Zirkusbesuch bei Pikard an. Eine dieser vielen tollen Initiativen, die uns die aktuelle Situation bescheren – und plötzlich zählt mehr als Geld. Ich beschließe am österreichweiten Vorlesetag am kommenden Donnerstag, 26.3.20 eine Lesung via Livestream auf Youtube oder Facebook zu machen. Ich begebe mich nach Oz. In einer unserer Erzählungen, in denen wir uns ausdachten, wohin unsere Glückskatze vor knapp sechs Wochen während des Sturmtiefs Sabine verschwunden sein könnte, ließ sie mit dem Orkan in jenes Land fliegen, das Frank L. Baum in seinem ersten Buch von einem schrecklichen Zauberer beherrschen ließ. Das Mädchen Dorothy rettete es mit Hilfe seiner Freunde, einer Vogelscheuche, einem Blechmann, einem Kürbiskopf und einem feigen Löwen. Vielleicht ist wieder Rettung angesagt und die Mizzi-Katz muss gute Taten tun, so wie sie sie eineinhalb Jahre für uns getan hat.
Ich begebe mich also nach Oz, finde die Verfilmung mit Judy Garland nicht als Stream, stöbere eine Stummfilmfassung des Buches auf und entdecke einen weiteren Oz-Film, der 1985 von Disney produziert wurde und vertiefe mich – mit Dario an meiner Seite am roten Sofa – in die neuerliche Reise von Dorothy in jenes Land, das nunmehr von einem Zwergenkönig regiert wird. Der Streifen mit dem Titel „Die fantastische Welt von Oz“ ist alles andere als ein Kinderfilm. Anfangs lässt er sich recht gut an, Dorothys Onkel baut in seiner Heimat Kansas gerade ein neues Haus, ihre Tante macht sich zunehmend Sorgen um den Gesundheitszustand ihrer Nichte und organisiert einen Psychiater, der das Mädchen mit Hilfe einer Stromtherapie (Elektrizität ist um 1900 gerade die neueste Errungenschaft der Menschheit und als Allheilmittel gepriesen) heilen soll. Und dann wird‘s nicht nur spannend, sondern durchaus „horrible“. Ich machte zwischendurch zwei Pausen, um ein wenig Luft zu schnappen, und hielt dann die knapp mehr als 100 Minuten bis zum Ende durch. Meinem Jüngsten werde ich das Werk nicht zeigen. Da lese ich ihm lieber – wie noch vor meinem Patschenkinoabend – Erich Kästner vor. Vor einer Woche haben wir uns am letztmöglichen Tag noch mit Büchern aus der Kremser Stadtbücherei eingedeckt, dazu gehören auch drei des deutschen Autors, der am gleichen Tag wie ich Geburtstag hat, aber 67 Jahre früher geboren worden war. Gerade eben lese wir „Der 35. Mai“, eine kolossal fantastische Geschichte mit viel Humor und auch ein bisschen Science Fiction. Das 1932 veröffentlichte Wer bietet in einem Kapitel die Vision eines guten Lebens, in dem Menschen ohne Erwerbsdruck arbeiten, was ihnen Spaß macht und in dem für alles gesorgt ist, was für die Existenz notwendig ist. Wir hatten sehr viel Spaß mit dem sprechenden, rollschuhfahrenden Zirkuspferd Negro Kaballo, mit Konrad und seinem Onkel Ringelhuth. Ich schlafe trotz meines Aufenthalts in Oz recht gut. Am Programm des Samstagvormittags steht unser Familieneinkauf im Drogerie- und im Supermarkt im örtlichen Gewerbepark. Zuvor gibt noch das Handy meiner Frau zum zweiten Mal innerhalb eines Monats den Geist auf. Beim ersten Mal war es ein Softwarefehler, nun schaut es – aufgrund der Symptome – nach genau demselben Problem aus. Und das in diesen Zeiten. Unser Jüngster erklärt sich bereit, das alte Handy, das er durch den Neukauf eben jenes Montagsmodells zu seinem machen konnte, zur Verfügung zu stellen- mit der Bedingung, dass er seine täglich 20-Minuten-Handyzeit weiter nützen dürfe. Das OK dazu fällt uns nicht schwer. Während wir unterwegs sind, hütete Kater Dario das Haus, er hat es gut, drinnen bollert unser CELUS-Küchenherd und wärmt die Bude. Ich bin froh nach dem Wettersturz, der uns heute Früh und auch den ganzen Tag nur 8 Grad Celsius (nach 20 Grad am Vortag) beschert, wieder heimzukommen und mache mich gleich ans Mittagessenkochen: Linsen mit Knödel. Danach ein kurzes Mittagsschläfchen, es ist einfach herrlich. In der Zwischenzeit arbeitet meine jüngere Tochter aus der Ferne mit meinen Antworten auf ihre Fragen und liefert mir über whatsapp Ideen zur persönlichen Weiterentwicklung. Es ist so schön zu erleben, dass sie – wie auch ihre ältere Schwester – ihren Weg gemacht hat. Und gerade bei ihr ist es immer schon spürbar gewesen, dass wir eine besondere Verbindung haben, auch in all den Jahren in denen uns das Leben auseinander gebracht hatte. Dafür war das Wiedersehen vor wenigen Monaten nach so langer Zeit ein ganz besonderer Moment, ebenso ihr Hiersein an meinem Geburtstag, an dem ich auf Route 55 aufgebrochen bin - und Schritt für Schritt finden wir nun auf ganz neue Weise zueinander. Apropos Geburtstag: Mein lieber, langjähriger Freund Franz, mit dem mich – wie meine Leser*innen noch in Erinnerung haben – zuletzt am Donnerstag der Vorwoche (Tag 18) getroffen hatte und von dem ich bei dieser Gelegenheit zum Essen eingeladen worden war, feiert heute seinen Siebziger. Ein SMS mit Wünschen ist das Mindeste, er antwortet via E-Mail. Wir haben Freude miteinander. Es gab so Vieles, was wir miteinander erleben durften, die Zeit bei den Pfadfindern, als er noch ein guter Kumpel meines Vaters war und wir noch keinen freundschaftlichen Kontakt pflegten und unser Zusammenwachsen, bei dem wir nach und nach unsere Seelenverwandtschaft entdeckten. Er ging mit mir durch dick und dünn, war auch in den Tiefpunkten meines Lebens stets an meiner Seite, erlebte mit mir auch mein Ankommen bei und mein Heimkommen zu meiner Aller-Liebsten vor zehn Jahren, nachdem ich durchaus ausdauernd in zwei vorgehenden Beziehungen trotz aller Wirr- und Widernisse, die mir schon früher zu denken geben hätten sollen, aus- und durchgehalten hatte, in der einen zehn und in der anderen gar sechzehn Jahre. Die erste hat mir zwei wunderbare Töchter beschert, wofür ich sehr, sehr dankbar bin. Die andere einen angenommenen Sohn, der mir - wie seine Mutter - auch heute noch mein Leben schwer zu machen versucht, allerdings mit schwindendem Erfolg, denn einmal muss Schluss sein. Auch mit dem schlechten Gewissen, dass - so sagen objektive Beobachter der Szenerie, wie eben mein guter Freund Franz - keinesfalls berechtigt ist, bei all dem, was ich für die beiden in meiner unermesslichen Fürsorge und Hilfsbereitschaft in all den vielen Jahren getan habe. Dazu vielleicht ein anderes Mal mehr. Gerne erinnere ich mich noch an meinen Besuch bei Franz in Zypern, und zwar im türkischen Teil in Famagusta. Franz war dort als UNO-Soldat stationiert und in den Osterferien des Jahres 2000 war ich bei ihm zu Gast und durfte dort seinen 50er mit ihm feiern. Er lud mich auf eine Zigarre, die ersten und bislang einzige meines Lebens ein. Dann chauffierte er uns (meine damalige Lebensgefährtin, ihren damals noch alleinigen Sohn und mich) durch die Städte, ich kam mit dem orthodoxen Christentum und dem Islam hautnah in Kontakt, badete am Strand von Varosha, der Hotel-Ruinen-Stadt, durchstreifte die geteilte Hauptstadt Nikosia und erlebte eine Osternachtfeier in der Pufferzone, ein sehr ambivalentes Erlebnis. Zum einen ringsum die Wachtürme der verfeindeten Armeen und die Gefahr von Minen, zum anderen eine wunderbare Naturkulisse, in der der Mensch kaum noch eine Rolle spielte. Nie zuvor waren Karfreitag und Ostersonntag für mich so nachvollziehbar. Der Tag klang mit jener Tätigkeit aus, die dieser Tage zu erledigen ist: Den vorletzten Arbeiten für die Einkommenssteuererklärung von 2018. Ich tat, was zu tun war. Und ich freue mich schon, wenn die Sache am Montag bei der Steuerberaterin landet. Und wie jedes Jahr so nehme ich mir auch heuer vor, damit nicht wie bisher bis zum letzten Moment zu warten. Ändern kann ich das Ergebnis eh nicht. Das Kolloquium mit meinen SchülerInnen im Vorbereitungslehrgang für die Berufsreifeprüfung Deutsch verlief insgesamt sehr fein. Wir beschäftigten uns neben Sprachlichem (s-Schreibung bzw. das/dass) mit der Zusammenfassung eines Textes von Heiko Girnth zum Thema Sprache und Politik. Es war auch für mich eine willkommene Abwechslung außerhalb von Familie, Haus, Haushalt und Einkauf, da ja sonstige soziale Kontakte derzeit auf Null gesetzt sind. Zudem ermöglicht die Fortsetzung des Kurses auf E-Learning-Basis ein Grundeinkommen, auf das ich – trotz aller Maßnahmen der Regierung - nur ungern verzichtet hätte. Der Flow nach dem VHS-Online-Abend klang aber rasch ab und die Müdigkeit brachte mich auf schlechte Gedanken, also ging ich rasch zu Bett.
Gegen halb sieben dann drangen aus dem traumreichen Schlaf die ersten Gedanken an die aktuelle Wirklichkeit in mein Erwachen. Ich fühlte die Möglichkeit, diesem Denken eine andere Dynamik zu geben, mich nicht in einen Abwärtssog hineinziehen zu lassen. Ich stemmte so Manches dagegen – und es gelang. Als ich um halb neun mein Schlafgemach verließ, war ich voller Freude auf einen Frühlingstag im Garten. Diesen wollte ich nutzen, sollte doch am Wochenende der Winter – spät, aber doch noch – unserem Land einen Besuch abstatten. Und da fand ich in meinem E-Mail-Postfach den aktuellen Newsletter des Viktor-Frankl-Zentrums und spürte schon beim Öffnen eine heilsame Vorfreude. Sartre musste sich hinten anstellen. Diesmal war Frankl mein Favorit. Und er wirkte, bewirkte: „Jeder von uns hat die Fähigkeit, zu entscheiden, ob er/sie hoffnungsvermehrend oder leidvermehrend leben will! Zum Glück liegt es immer in unserer Hand! Ob das, was wir in der Hand haben, tatsächlich verwirklicht wird oder nicht, liegt allein in meiner Hand!“ Na dann: Let‘s try it out! Der Vormittag: ein Schreiben im sonnigen Garten, das Vorbereiten eines kleinen, feierlichen Mittagessens mit unseren Jungs, ebenfalls im sonnigen Garten. Ich kochte Eierreis mit Sojasauce, ein Lieblingsessen der beiden Großen. Wir stießen mit Spritzern (für die Erwachsenen Wein, für die Jungs Orangensaft) in unseren 5 Sektgläsern an und feierten den Frühlingsbeginn, den Namenstag des Ältesten und des Jüngsten, die Aufnahme des Ersteren in die zweite Bewerbungsrunde für die Lehre im Buchhandel und die Zusage für einen Platz im BORG für den Mittleren. Wer von seinem Spaziergang zu spät zurückkehrte war unser Ältester. Er nahm‘s gelassen, dass wir nicht auf ihn gewartet hattet und aß mit großem Appetit. Danach allerdings musste er noch eine Belehrung durch die Erwachsenen über sich ergehen lassen. Nun ja, er wird‘s noch lernen, zum Handy zu greifen und sein Zuspätkommen anzukündigen – oder einfach auch pünktlich zu sein. Immerhin wird er in einer Woche sechzehn. Auch wir übten uns in Gelassenheit. Mittagspause im Garten, im Halbschatten, die Sonne brennt recht heiß vom Himmel. Danach ein wenig Gartenarbeit. In der Zwischenzeit auch Tag 24 und 25 gepostet und auf Facebook geteilt mit dem Hinweis, dass es Mut braucht, mich auch durch zwei abgründige Lebenstage zu begleiten. Meine jüngere Tochter Julia stellt ín ihrem Kommentar wichtige Fragen, denen ich nachgehen werde. Eine liebe Freundin schickt mir Mut, Zuversicht und eine innige Umarmung. Ein schönes Gefühl. Sportlich geht es weiter: Tischtennis und Tischfußball mit meinem Jüngsten. Ich bin chancenlos, habe aber jede Menge Spaß und Freude, vor allem daran, wie sich mein Achteinhalbjähriger beständig weiterentwickelt. Vor allem beim Tischtennis sind da schon ganz tolle Schläge dabei. Und dann – bevor laut Wetterbericht eine stürmische Zeit anbricht – noch einmal Zeltsauna im Familienkreis. Das Bier schmeckt nachher besser als sonst und ich bemerke, dass ich wieder in meinem Leben angekommen bin und mit den Energien um mich herum besser umgehen kann und sie nicht zu meinen eigenen mache. Da die Nacht meine Lebenstage nicht voneinander trennt, sondern nur der Sekundenzeiger auf der Uhr, begann der 25. Lebenstag im 55. Lebensjahr in derselben Stimmung wie der vorige geendet hatte. Die Stunden bis zum Schlafengehen waren nicht mehr zu retten. Ich dachte am Sofa nach bis mein Kopf so schwer war, dass er mich in die Seitenlage zog. Als ich durch die Stimme meiner Liebsten geweckt wurde, lag der schwarze Kater dicht an meine Brust gekuschelt neben mir. Er wärmte meine von mir selbst gequälte Seele. Ich hielt es kaum noch aus mit mir. Ein Zustand, den ich ändern sollte, aber noch nicht wollte. Die Nacht unruhig, voller Träume, die nichts Neues brachten, keine Erlösung in Sicht.
So war ich auch in meinen wachen Stunden tagsüber nicht wirklich wach. Ich bewegte mich im Halbschlaf zwischen kurz aufblitzenden Hoffnungsschimmern, denen enorme Kraft innewohnte, und lang gedehnten Abgründen, die ich lustvoll durchwanderte. Meine arme Liebste, die diesen Anblick zu ertragen hatte. Sie nahm es – aus der Erfahrung, dass meine abgründigen Phasen nie länger als wenige Tage anhielten – mit der ihr angeborenen Gelassenheit, da auch diesmal sämtliche Versuche, mich aufzuheitern oder zu ermuntern, gnadenlos scheiterten. Ich mochte die Verlorenheit des Mit-mir-Alleinseins trotz der Tatsache, dass ich mich kaum aushielt. Was ich immer noch zu lernen habe, ist eine gesunde Pflege meiner selbst und meines Selbst. Der Anstoß, mich zum Leben aufzuraffen, kam niemals noch von außen, er folgte immer bloß dem Impuls aus meiner eigenen Mitte. Einen dieser Hoffnungsschimmer ergriff ich, um unserem Sozialminister und dem Vizekanzler ein E-Mail zu schreiben, in dem ich die Idee eines befristeten Grundauskommens ansprach und dieses für die nächsten Wochen bzw. Monate vorschlug, um eine einfache unbürokratische Überlebenshilfe für alle Bürger*innen unseres Landes zu ermöglichen. Die Antwort kam recht prompt. Man wolle keine Umwälzungen, man tue aber alle, um keine*n zurückzulassen. Ich solle noch bis Montag Geduld haben, da kämen dann auch Maßnahmen, die für meine Frau und mich eine Erleichterung bringen sollten. In Erwartung meines abendlichen Kurstermins für die Teilnehmenden meines Vorbereitungskurses auf die Deutschmatura wurde ich zusehends aus mir herausgelockt. Die Nervosität, ob die von mir mit den Teilnehmer*innen ausgemachte Online-Methode funktionieren würde, hielt mich in Atem und als um 18 Uhr bloß zwei eingeloggt waren, drohte ich auch hier die Hoffnung zu verlieren. Doch innerhalb der nächsten Minuten waren dann 7 von 9 da und es startete eine neue Erfahrung. Für so etwa bin ich, als Pioniergeist, jederzeit zu haben, es belebt mich, es beschwingt mich. Zu schaffen machen mir die Mühen der Ebene, des Alltags – dafür aber habe ich mir schon eine gute Stratege zurecht gelegt, finde ich doch auch in diesen alltäglichen Momenten mittlerweile allerlei Spannendes. So war der Übergang zum nächsten Lebenstag, der mitten in den Onlinekursus fiel, ein angenehmer. Den Tag begann ich mit der Zusammenstellung der aktuellen Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule – das Magazin für alle, die Bildung verändern wollen“ auf Radio Orange 94.0, dem Freien Radio in Wien. Die Sendezeit wurde von der Programmkoordination diesmal auf 27 Minuten mehr als halbiert, da das tägliche Corona-Update der Freien Radios den ersten Teil meiner geplanten Sendezeit beanspruchte. Den Großteil füllte das tags zuvor geführteTelefoninterview mit Sibylle Hamann, Bildungssprecherin der Grünen, aus. Dazu gab ich noch einen Kommentar zum sozialen Lernen in der Schule mit dem Titel „Schule als Ort des asozialen Lernens“ ab. Was mich ärgert ist, dass es jenen, deren Kinder einen individuellen Bildungsweg einschlagen, immer vorgeworfen wird, dass sie die Kinder der Gemeinschaft und damit des sozialen Lernens berauben. Das stimmt so nicht. Und ebenso stimmt nicht, dass ich etwas gegen Schule habe. Ich halte sie für einen Bildungsweg unter mehreren, und ich setze mich dafür ein, dass die derzeit als illegal eingestuften Wege wissenschaftlich begleitet und regelmäßig evaluiert endlich reale Möglichkeiten des Sich-Bildens werden. Tja, und zur Schule nur so viel: In der aktuellen Form ist sie wohl wirklich längst überholt. Sie braucht dringend einen Reset, aber auch dafür gibt es schon jede Menge Ideen, auch von mir als ehemaliger Lehrer.
Um vor dem Einschlafen auf andere Gedanken zu kommen – wobei mir Fußballübertragungen zuletzt immer sehr geholfen haben – machte ich diesmal den Fehler, mir wieder einmal den „Tatort“ zu geben. Diesmal Berlin. Diesmal: „Das perfekte Verbrechen“. Diesmal – wie schon so oft in letzter Zeit: Enttäuschend. Solange es Menschen wie diese gibt, die das Rechtssystem beherrschen, brauchen wir uns um Gerechtigkeit in der Justiz keine Hoffnung machen. Aber, jede*r mache sich selbst ein Bild. Der Morgen dann ein einziges Wider: Widerstand, Widrigkeit, Widerwille, widrig – alles hausgemacht. Dennoch machte ich mich an die notwendigen Arbeiten – und ich schleuderte dem Leben ein ständiges „Warum“ um die Ohren. Sinnlos. Zwecklos. Verlorene Zeit. Aber in diesen Stunden wollt eich nicht anders als mich verloren fühlen. Dichterseele auf dem Grund. Aber auch die Erfahrung: Wenn du auf den Grund gehst, dann kommst du auf deinen Grund. Den Lebensgrund. In keiner anderen Zeit als in der Krisenzeit lernst du dich selber besser kennen und bekommst Stoff für die Weiterentwicklung. Zündstoff. Um dies auch diesmal zu begreifen, brauche ich noch Zeit. Ich schrieb der Wirtschaftskammer, ich schrieb der SVS, ich schrieb, um das finanzielle Überleben meiner Familie zu ermöglichen. Und auch meine Liebste trug ihren Teil dazu bei. Sie war erfolgreicher als ich. Doch fühlte ich mich in meinem Leid noch wohler als in der Lösung. So konnte ich Erfolge nicht als solche sehen und eine Heidenangst überkam mich und schnürte meinen Lebensatem. Der eine Tag ging und der nächste kam. Um am Morgen des ersten Tages der von der Regierung veranlassten Ausgangsbeschränkungen in Schwung und nicht auf negative Gedanken zu kommen, plane ich beim Frühstück mit unserem Jüngsten ein intensives Sportprogramm, wir aktivieren die Boccia-Kugeln, das verstaubte Tischfußballspiel von Arcofalk (Made in Italy!) und Junior verwandelt unseren Gartentisch in einen solchen, auf dem wir locker Tischtennis spielen können. Ich ziehe – wie so oft – in allen Disziplinen auch diesmal meistens den Kürzeren, aber das macht mir nichts aus, weil es einfach einen Heidenspaß macht, zu spielen und sonst an nix zu denken.
Eigentlich herrscht Ferienstimmung, wäre da nicht das Bewusstsein, dass all das doch erzwungen ist, erzwungen von einem Virus, der die politisch Verantwortlichen zu solchen Zwangsmaßnahmen angeleitet oder vielleicht auch verleitet hat. Die Kurven im Netz, die zeigen sollen, was diese Beschränkungen bringen, lassen sich auch so lesen: Sollten keine Einschränkungen passieren, wäre der Höhepunkt in Österreich mit Ende Mai und rund zwei Millionen Erkrankten überschritten, eine hohe Anzahl an Todesfällen inbegriffen. Die von der Bundesregierung ergriffenen Variante plant mit einer Verringerung der sozialen Kontakte um 25 %. Dadurch würde sich laut Modellrechnung der Peak auf Ende August verschieben, allerdings mit prognostizierten 360.000 Infizierten. Die Krise wäre demnach nach rund 400 Tagen endgültig vorbei, also in etwas mehr als einem Jahr. In Großbritannien setzt Premier Johnson auf Szenario eins und hofft auf schnelle Herdenimmunität. Wir haben also den direkten Vergleich. Am Nachmittag telefoniere ich mit der Bildungssprecherin der Grünen, Sibylle Hamann, für die nächste monatliche Ausgabe meiner Sendereihe „Nie mehr Schule – das Magazin für alle, die Bildung verändern wollen“ auf Radio Orange. Wir besprechen kurz die aktuelle Situation und dann länger, was von grüner Bildungspolitik im aktuellen Regierungsprogramm mit der ÖVP übrig geblieben ist. Zukunftsforscher Mathias Horx macht mir mit seinem Beitrag "Corona - eine Resilienz-Übung" Mut. Es gibt also Perspektiven. Dann wagen mein Jüngster und ich uns in den Gewerbepark, um nötige Einkäufe zu machen. Gespenstische Stimmung, aber dafür keine Schlangen an den Kassen. Ich entdecke in einem der dortigen Supermärkte, den ich nur selten frequentiere, eine mir bislang unbekannte österreichische Biersorte, nämlich Wurmhöringer Premium Märzen, und nehme ein paar Testflaschen mit. Für die Zeit vor dem Abendessen heize ich unsere Zeltsauna an. Wohltuend und entspannend für Leib und Seele. Und danach eine Flasche des mir noch unbekannten Biers, das mir sehr gut schmeckt.So kann ein Lebenstag zu Ende gehen. Nach der Sauna penne ich am Sofa ein, obwohl ich mich nur ein wenig ausruhen wollte. Der Jüngste weckt mich, weil er noch Zähneputzen will. Nachdem das Badezimmer nun endlich wieder frei ist, die großen Jungs geduscht und bettfertig sind, mach ich mich schlaftrunken auf den Weg ins Bad. Ich brauche eine knappe Stunde, um wieder auf Touren zu kommen, vielleicht hätte ich mich doch gleich betten sollen. Aber Finnland wartet, zumindest virtuell in „Arctic Circle“ Folgen 6-8. Kater Dario begleitet mich durch eine intensive Kuschelaktion durch den Start in meinen nächsten Lebenstag. Um 0.30 Uhr gehe ich endlich ins Bett und unser Vierbeiner widmet sich deinen nächtlichen Aktivitäten im Haus. Die Wochenendstimmung mit schalem Beigeschmack hält auch am Tag 2 der Ausgangsbeschränkungen an. Morgens komme ich schwer aus den Federn, es gibt viel zu tun und noch mehr zu befürchten. Ich bin nach außen krisenfest, im Inneren aber tobt es heftig. Diese Ambivalenz meines Daseins, macht es den anderen meist leicht und mir selbst und meiner Liebsten, die mein Innenleben bestens kennt, eher schwer. Das Wetter ist auch trüb und regnerisch, nicht unbedingt ein Stimmungsaufheller. Wie gut, dass es heute Würstchen mit Kartoffeln gibt. Und Mathias Horx, der mir mit seinem neuen Text "Die Welt nach Corona" neuerlich Mut und Perspektiven gibt. Arbeitstechnisch stehen Buchhaltungsarbeiten, ein Skype-Treffen mit einer Kollegin im Hinblick auf die Zivilcourage-Workshops für Wiener FreizeitpädagogInnen im Juli und August und die Zusammenstellung meiner Radiosendung am Programm. Meine Frau und ich holen dann unsere Wochenration Bier, diesmal nicht vom rund sechs Kilometer entfernten Großmarkt, sondern versorgen uns beim kleinen Supermarkt mit dem gestern neu entdeckten Gerstensaft. Die Jungs sind heute Abend sehr cool unterwegs, sie scheinen – nach dem ersten Schock – auf Kooperation umgestellt zu haben, sehr beruhigend. Mehr geht sich an diesem Tag nicht mehr aus – und es scheint mir ein halbes Leben weit entfernt, dass meine Frau als Gemeinderätin angelobt worden ist, obwohl das Ereignis erst eine Woche und einen Tag zurückliegt. Der nächste Tag meines neuen Lebensjahres begann mit einer langen Vorlesesession auf meinem schönen, roten Ledersofa. Tove Janssons „Mumins lange Reise“, das erste Buch der Mumin-Serie mit Originalbildern der Autorin (wir hatten es tags zuvor in einer Neuauflage in der Stadtbücherei gefunden und entliehen), entführte uns in jene Zeit, da die Mumin-Familie noch kein fixes Zuhause hatte. Auf der Reise fanden Mumin und seine Mama dann nicht nur das Mumintal sondern auch den lange vermissten Muminpapa.
Als der Jüngste im Bett war, überlegte ich, wie ich meinen Abend gestalten konnte. Ich dachte daran, mal wieder einen Film zu schauen, checkte die Mediatheken von ARD, ZDF und ARTE durch und fand so manch Interessantes. Einige Wochen vor Ausbruch des Corona-Virus in unseren Breiten, hatte das ZDF eine Serie namens „Arctic Circle“ über eine Viruspandemie, die in Finnland spielt, herausgracht. Ich stoppte das Schauen trotz des spannenden Plots nach der ersten Folge, war noch nicht bereit für ein solches Thema. Jetzt, da wir mitten drinnen sind in einem ähnlichen Schlamassel wirkt der Film harmlos gegen die Wirklichkeit. Zumindest nach Folge 2 und 3. Mal sehen, was die anderen 7 Episoden so zu bieten haben. Schön ist es, endlich wieder einmal in der Heimat meiner Frau zu sein, zumindest virtuell. Dario verbrachte einen Teil des Fernsehabends kuschelnd und schnurrend auf meinem Schoß. Der Morgen nach einer traumreichen und dementsprechend anstrengenden Nacht gedämpft und belastet von all dem, was derzeit ist: die „Ausgangssperre“, die Steuererklärung, die unsichere Einkommenssituation. Ins-Tun-Kommen ist da ein probates Mittel. Dario hilft kräftig mit, dass ich auf andere Gedanken komme. Zum Mittagessen bereite ich Burger zu – mit Karottenlaibchen und in der Semmel. Kann sich aber dennoch sehen und vor allem schmecken lassen. Draußen ist es sonnig, aber kalt. Der Jüngste spiel im Garten – Fußball, was sonst. Nach dem Essen kurze Familienkonferenz zu den aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung und den Folgen für unser (Zusammen-)Leben. Der Mittlere geht in den Widerstand. Tja, da kommt so einiges an „Schmelz“-Arbeit (im Sinne der Integrativen Gestaltarbeit) auf uns zu, Vor allem befällt ihn jetzt schon der Unmut, dass er womöglich in den Osterferien seinen Vater nicht in Berlin besuchen kann. Nach einigen Überzeugungsversuchen zur Kooperation ließen meine Frau und ich mal los. Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, den Familienfrieden auch in den bevorstehenden Tagen sicherzustellen, auch wenn es uns eine Menge Anstrengung kosten wird. Mittags eine kurze Pause im Liegestuhl im Garten, danach Check meiner Möglichkeiten, meine VHS-Kurse online durchzuführen. Wenn die Verantwortlichen dort mitspielen, sollte es kein Problem sein. Ich bin vorbereitet und bereit. Dann ging‘s an die vorletzte Etappe der Steuererklärungen, dazwischen zum Abreagieren Gartenarbeit. Die Brombeerstaude musste in Form gebracht werden, vor allem musste ihre Wuchsrichtung vereinheitlicht werden, braucht doch der Holler seinen Platz. Er treibt schon aus, so wie auch der Apfelbaum, der Liguster und die Brennnesseln. Meine Frau schwärmte während des Tuns in unserem kleinen Paradies von der Brennnesselsuppe ihrer Kindheit – mit hartem Ei in der Mitte. Ich freue mich schon drauf, wenn sie uns eine kocht. Zeit dafür sollten wir in diesen Tagen genug haben. Beim Abendessen noch miese Stimmung beim Mittleren. Und meine Frau hat in den nächsten Tagen mit vier körperlich unausgelasteten Männern zu tun. Wobei der Jüngste sich ohnehin viel im Garten bewegen wird, ich die Gartenarbeit zu meinem Schwerpunkt gemacht habe; bleiben also noch zwei. Und die habe ich zu Indoor-Workouts und so das nicht klappt zu solchen im Garten verdonnert. Möge der Widerstand schmelzen und die Kraft der Bewegung ihre wohltuende Wirkung entfalten. |
Route 55
Dieser Blog begleitet mich durch mein 55. Lebensjahr, das ich mit einer Feier im Freundeskreis am Vorabend meines Geburtstages eingeläutet habe, das am 23.2.20 um 19.21 h tatsächlich begonnen hat und das sogar 366 Tage zu bieten hat, also mehr als viele andere meiner bisherigen Lebensjahre. Archiv
Februar 2021
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